
Libratone an der IFA: Warum alt nicht schlecht ist

Libratone präsentiert an der IFA seine Zipp Speaker. Sie sind zwar kabellos aber nicht neu. Warum also behaupten sich die Lautsprecher gegen all die Neuheiten? Weil sie nach wie vor weiterentwickelt werden.
An der IFA in Berlin jagt eine Neuerung die nächste. Neue Features hier, komplett neue Technologie da. Nur am Stand von Libratone ist wenig neu. Zwei farbige Überzüge sind neu, einer pink, der andere babyblau. Oder wie die Designer bei Libratone die Farben genannt haben: Nude, also nackt, und Pastel Blue. Sonst sind die Speaker immer noch die gleichen wie im vergangenen Jahr bei der Markteinführung.
Dennoch ist vieles neu an den Speakern und mit den Neuerungen ist noch nicht vorbei. Wie geht das? Die Frage stelle ich einem charismatischen Dänen am Stand. Hier muss ich einschieben, wie sowas an der IFA in der Regel vor sich geht. Charismatische, attraktive und/oder anderswie einzigartige Menschen stehen an den Messeständen und reden mit Besuchern. Dabei sind sie in der Regel “on message”, sagen also nur Varianten des Inhalts, den die PR-Abteilung der jeweiligen Firma vor der Messe zurechtgelegt haben. Wir haben uns schnell an Wörter wie “hochwertig” und “innovativ” gewöhnt.
Merkwürdig wird es am Libratone-Stand etwa ab dem Zeitpunkt, wo Stephanie vom rosafarbenen Zipp schwärmt und der Däne sagt “Du kannst auch andere Covers für die Box kaufen. Meine Freundin hat etwa drei verschiedene Farben und wechselt die immer mal wieder aus”. On Message. Doch dann folgt “Mir eigentlich egal, aber sie ist glücklich”. In der Regel wäre dieser Zusatz nicht gekommen. Oder wenn dann sowas wie “Das ist das wunderbarste Ding aller Zeiten”.
Der charismatische Däne mit braunen Haaren und blauen Augen aber verwirrt mich im Gespräch. Ich bin mir nicht sicher, ob er on message ist, oder ob sein Leben tatsächlich vom Geschmack für Innendesign seiner Freundin und den Libratone Zipp dominiert wird. Letzteres verstehe ich.
An Oldie but Goodie
In der Technologieszene gelten Produkte, die fast schon ein Jahr auf dem Buckel haben, als veraltet. Manchmal braucht das Gerät nun dringend einen neuen Knopf, der irgendwas aktiviert, das die neue angesagte Version dringend braucht. Manchmal ist die Software gieriger geworden und braucht mehr Hardwareleistung und daher ist das alte Teil obsolet.
Die Libratone Zipp sind unverändert. Wieder eine merkwürdige Anekdote des Dänen: “Wir Dänen sind bekannt für drei Dinge: Bier, Pferdezucht und Design”, sagt er. Alkohol ist ein Tabuthema, wenn einer on-message ist. Sogar Alkoholhersteller scheuen vor “Wir machen gutes Gesöff” zurück. Dann wird er wieder on-message und redet über die Hardware Features des Geräts.
Denn Design ist bei Libratone nicht nur etwas, das hübsch aussieht, sondern auch für Leute wie mich interessant ist: Die unterliegende Technologie ist gut durchdacht und zukunftssicher. Das bedeutet, dass bei der Hardwareplanung vor mehr als einem Jahr so geplant wurde, dass das Gerät nicht in einem Jahr obsolet wird. Das ist vor allem für den Endkunden nett, denn mittlerweile ist jeder frustriert, wenn das neue Smartphone oder die neuen Speaker zum Zeitpunkt des Kaufes schon fast veraltet sind.
Das Geheimnis der welligen Platte
Die Libratone Zipp scheinen solide verarbeitet. Die grosse Version liegt etwas schwer in der Hand, aber nicht so schwer, dass der Speaker mit einem Gurt rumgetragen werden müsste.
Sie laufen über Akku wie auch mit direkter Stromversorgung und zur Not können die Speaker als Powerbank für Smartphones fungieren. Dann hält der Akku nicht mehr zehn oder mehr Stunden, sondern halt weniger. Dazu brüsten sie sich mit einem “echten 360-Grad-Sound”, was in der Regel so irgendwas zwischen 180 Grad und 270 Grad bedeutet. Schall und sein Echo ist etwas heikel, wenn es um zirkuläre Beschallung eines Raumes geht. Vor allem wenn dann oben drauf noch irgendwelche Kontrollelemente, ein omnidirektionales Mikrofon und anderes verbaut werden müssen.
Der Test am Stand zeigt, dass die 360 Grad bis auf einen kleinen Punkt auf etwa 2 Uhr auf dem Ziffernblatt einer Uhr hinkommt. Auch dort ist der Speaker nicht leise oder stumm, sondern einfach etwas leiser. “Das geht wegen dem gewellten Plastikteil oben”, sagt der Däne. Hier wäre on-message wieder etwas wie “Das ist durch das AudioPlate X System mit #TrendSound-Filter mögllich”. Die Namen habe ich jetzt frei erfunden aber “Plastikteil oben” klingt nicht on-message aber ist so gut genug.
Über das ganze Konstrukt, das in der grossen Version 100 Watt Leistung bringt und in der Mini-Version 60 Watt, wird ein Cover gezogen, das den Zipp gegen Dreck schützt und dem Speaker Farbe verleiht. Den Namen Zipp erhält das Ganze, da das Cover mit einem Reissverschluss, englisch “zip”, verschlossen wird. Design halt. Mir gefällt der Look des Geräts persönlich auch recht gut ohne Cover, aber ich weiss, dass ich mit meiner Liebe für offene Maschinerie und Kabelsalat recht alleine bin.

Die Libratone Zipp bekommen hardwareseitig seit ihrem Release nur neue Covers, die dem Speaker einen neuen Anstrich verpassen. Doch Libratone sitzt nicht einfach auf ihrem Füdli rum, sondern entwickelt aktiv weiter.
Integration und Ausbau
Der Däne spricht weiter. Er erzählt, dass die Software noch lange nicht am Ende ist. Nach der Studie der Hardware-Funktionalität vermute ich, dass eine Art Android auf den Speakern läuft. Dafür sprechen einige Hinweise, auch wenn ich keinerlei Beweise oder Testdaten habe.
Ein Software Update in naher Zukunft bringt Amazons Alexa auf die Speaker. Alexa rollt langsam auf Android-Geräte aus, allen voran das HTC U 11. AirPlay 2 kommt ebenfalls. Apple ist historisch generell nicht besonders scharf darauf, dass ihre Services ausserhalb des eigenen Ökosystems betrieben werden. Apple Inc. hat zwar einen Account in Googles Play Store, aber da sind nur drei Apps. AirPlay 2 wird von Dritten auf Android portiert, unter anderem von einer App namens DoubleTwist. Sollte nun Libratone mit einem dieser App-Hersteller gemeinsame Sache machen, dann steht dem AirPlay-on-Zipp-Projekt wenig im Weg.
Das ist aber nur eine Analyse basierend auf den technischen Daten der Zipps und Mutmassungen. Bei Interesse gehe ich dem gerne in Zürich nach. Oder wenn du es besser und genauer weisst, dann sag es mir in einem Kommentar. Denn interessant ist die Frage nach der Firmware allemal.
Die Zukunft der Speaker?
Mit den Libratone Zipps lässt Libratone in eine Mögliche Zukunft der Lautsprecher blicken. Die Zipps sind bisher zwar als kabellose multi-room-fähige Freisprechanlage nutzbar gewesen, laut dem Dänen zumindest, aber jetzt soll das ganze Haus versmartet werden. Da sind Smart Speaker ein wichtiges Tool und Assistenten wie Alexa wohl oder übel unabdingbar. Ich mag zwar Googles namenlosen Assistenten besser, weil Google ohnehin schon alles über mich weiss. Ja, ich habe in Punkto Google etwas aufgegeben.
Na denn: Go, Libratone. Ich mag euch. Ich mag den charismatischen Dänen, der seinen PR-Auftrag recht merkwürdig interpretiert, am Stand. Ich mag den Sound, den die Speaker produzieren und die Tatsache, dass eine junge Technologie nicht einfach schon totgesagt wird.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.