«In der Schweiz gibt es keinen Grund, nicht elektrisch zu fahren»
Juice Technology baut und verkauft Ladelösungen für E-Fahrzeuge. Christopher Gewohn ist dort für aktuelle und künftige Geschäftsfelder zuständig. Im Interview spricht er über Reichweitenangst, Ladenetze und ein altes BMW Cabrio.
Über uns arbeiten sich Flugzeuge dröhnend in die Höhe, hinter der Hecke des Parkplatzes rauschen die Autos auf der A51 vorbei. Der Standort des Firmensitzes von Juice Technology ist verkehrstechnisch praktisch gelegen, direkt an der Ausfahrt Bülach-Süd in einem Gewerbegebiet, wie es so ähnlich Dutzende in der Schweiz gibt.
Trotzdem passiert hier etwas Besonderes. Auf fast jedem Mitarbeiter-Parkplatz steht ein Tesla. Vereinzelt ein anderes elektrisch angetriebenes Auto. Nur ein altes BMW-Cabrio, kurz vor dem Oldtimer-Status, stört die moderne Einheitlichkeit.
Wir sind am Firmensitz von Juice Technology. Hier treffen wir Christopher Gewohn zum Interview. Wir wollen vom Business Development Manager wissen, wie sich das Geschäft mit der Elektromobilität entwickelt. Bei «Juice», wie man es kurz und hip formuliert, müssen sie es ja wissen. Hier werden die Ladelösungen entwickelt, die Jeder und Jede mit einem Elektroauto braucht.
Das Unternehmen expandiert gerade, der neue Hauptsitz im Bachenbülacher Gewerbegebiet wurde erst im Juni dieses Jahres bezogen, überall wird noch gewerkelt. Nur in einigen Bereichen der riesigen Büroflächen stehen jedoch schon Schreibtische, Werkbänke und Teststationen. Platz für weitere Expansion ist ausreichend vorhanden.
Für das Gespräch finden wir eine ruhige Sofaecke im Untergeschoss. Hinter uns an der Wand hängen in Form gebogene LED-Neonröhren, die irgendwie eine lässige Fröhlichkeit ausstrahlen. Natürlich wird sich hier auch geduzt.
Christopher, warst Du eigentlich in der Schule gut in Physik?
Eher nicht. Ich war eher ein Sprachen-Typ. Warum?
Naja, bei Juice Technology geht es sicher jeden Tag um Strom, Energie, Watt und Ampere, oder nicht?
Ja, das stimmt. Und ich muss deshalb die Materie auch tief verstehen. Ein paar Mal jede Woche sitze ich mit unseren Ingenieuren zusammen und informiere mich über aktuelle Entwicklungen, produktspezifische Neuheiten und technische Details.
Aber Du bist selbst kein Ingenieur.
Nein, ich habe Betriebswirtschaft studiert. Ich bin seit 2018 bei Juice Technology. Damals waren wir mit mir erst sechs Mitarbeiter, heute sind es über 100 interne Mitarbeiter, weltweit sind wir bereits über 200.
Was hat Dich damals gereizt – und reizt Dich womöglich heute noch?
Bevor ich zu Juice Technology kam, war ich bei einem Consumer Electronic Brand. Doch es ist definitiv ein Unterschied für eine Branche zu arbeiten, die gerade erst entsteht. Das Thema E-Mobilität war frisch und entsprechend erklärungsbedürftig. Es ging nicht nur darum, die Vorteile eines Produktes aufzuzählen und den Verbraucher dazu zu bringen, es zu kaufen. Es ging darum Aufklärungsarbeit zu leisten. E-Mobilität und E-Autos sind alles andere als neu, doch bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich diese Art der Fortbewegung noch nicht etabliert. Spannend daran war für mich also nicht nur das Business von Juice weiterzuentwickeln, sondern die gesamte Branche aktiv mitzugestalten.
Eine Art erzieherische Aufgabe also. Ich kann mir vorstellen, dass bei der Elektromobilität noch viel erklärt werden muss.
Kompliziert ist’s ja eigentlich nicht. Fahren, Bremsen, Tanken – oder eben neu: Laden. Statt Benzin oder Diesel muss jetzt eben Strom ins Auto. Nur beim Ladevorgang an sich muss ein Umdenken stattfinden. Man fährt jetzt nicht mehr zur Tankstelle, um das Fahrzeug zu laden, sondern steckt es eben dort an, wo es sowieso gerade steht – zu Hause, am Arbeitsplatz oder mit mobilen Geräten einfach überall, wo es eine Steckdose gibt.
Aber hier wird es ja kompliziert. Ladeleistung, CCS, Supercharger und so weiter – da schwirrt manchem schon der Kopf bei all den Begriffen und Abkürzungen.
Deshalb ist es die Aufgabe von uns bei Juice Technology und allen, die die Elektromobilität weiter voranbringen wollen, die Welt einfacher zu machen. Eben mit cleveren Ladelösungen.
Wasserstoffantrieb oder die sogenannten grünen Treibstoffe sind also chancenlos?
Bei Personenwagen könnten die E-Fuels, also synthetisch hergestellte Treibstoffe, eine Nische bedienen, zum Beispiel für Oldtimer oder Sportwagen. Der Umstieg auf E-Mobilität ist jedoch in vollem Gange. Spätestens nachdem alle grossen Autohersteller mit auf den Zug aufgesprungen sind und auch die staatliche Seite die Elektromobilität vorantreibt, war klar, dass diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten ist. Spätestens in zehn Jahren fahren mindestens 90 Prozent elektrisch.
Bis dahin haben wir auch die Probleme im Griff, die es heute noch gibt? Geringe Reichweiten, langsames Laden.
Probleme ist das falsche Wort. Es gibt genug Stromquellen, um das Fahrzeug zu laden, diese müssen nur zugänglich gemacht werden. Und auch die Reichweiten der Fahrzeuge nehmen immer mehr zu. Grundsätzlich können wir aber davon ausgehen, dass in der Abwägung zwischen schnellem Laden und Reichweite Autohersteller den Mittelweg wählen werden. Das könnten konkret effektiv erreichbare Reichweiten sein von 600 oder 700 Kilometern. Mehr ist kaum sinnvoll, weil kein Mensch so lange ununterbrochen am Stück gerne und konzentriert fahren möchte. Beim Laden werden wir nicht in fünf Minuten wieder voll aufladen, so wie das heute an der Tankstelle mit Benzin geht. Ich glaube, dass die Leute 15 bis 30 Minuten akzeptieren. Das ist genug Zeit für WC und einen Kaffee, bevor es dann weitergeht.
Da will ich als Autofahrer dann aber auch die Sicherheit, dass ich eine freie Ladesäule finde und die auch funktioniert.
Definitiv. Hier passiert derzeit auch einiges im Markt. Tesla hat zum Beispiel angekündigt, sein Supercharger-Netzwerk für Autos anderer Marken zu öffnen. Ich glaube nicht, dass wir in ein paar Jahren noch die Situation haben, dass Marken ein eigenes Ladenetz nur für ihre Fahrzeuge unterhalten.
Bisher braucht es allerdings noch gute Planung, wenn man elektrisch unterwegs ist.
In der Schweiz ist unsere Lade-Infrastruktur so gut, dass es keinen guten Grund mehr gibt, nicht elektrisch zu fahren. Die normale durchschnittliche Strecke pro Tag und Person sind ungefähr 40 Kilometer – auch die Deutschen mit einberechnet. Da muss niemand die berüchtigte Reichweitenangst haben. Man fährt und lädt dann wie gesagt am Arbeitsort oder zu Hause.
**Das sieht aber noch anders aus bei längeren Fahrten oder solchen ins Ausland. **
Für die Aussendienstler in Firmen, die jeden Tag 200 oder 300 Kilometer fahren, klappt das nicht immer ganz perfekt, aber es funktioniert. Bei längeren Fahrten – insbesondere in noch nicht gut erschlossene Länder ist momentan noch ein wenig Planung gefragt und so vielleicht auch etwas Entschleunigung angesagt. Das sehe ich in unserer schnelllebigen Zeit jedoch eher als Qualitätsgewinn. Man hat dadurch auch echt schön Erlebnisse, wenn man ganz leise durch enge Gassen in einem italienischen Städtchen surrt und sich niemand allzu sehr aufregt.
Du fährst natürlich schon elektrisch – scheint ja fast Einstellungsbedingung zu sein bei Euch. Was würdest Du jemandem empfehlen, der noch unschlüssig ist?
Einfach mal ausprobieren, würde ich vorschlagen. Ein Wochenende lang oder auch eine Woche ein rein elektrisches Modell fahren. Da verschwinden dann viele Ängste und Sorgen. Und man erlebt den Fahrspass wie die stufenlose Beschleunigung. Oder man versucht, Reichweitenrekorde aufzustellen oder den Stromverbrauch drücken.
Du sprichst aus Erfahrung?
Allerdings. Es ist schon ein Nervenkitzel, wenn die Reichweitenanzeige nur noch einstellig ist und man nachts um drei Uhr auf einer Autobahn ist.
Das würde dem Mitarbeiter, der das alte BMW Cabrio hat, das wir auf dem Parkplatz gesehen haben, nicht passieren.
Naja, es kommt ganz darauf an. Wenn ein Verbrennerfahrer den Tank komplett leer fährt, wird es auch für ihn knapp auf der Autobahn. Der Vorteil beim E-Auto ist ja: Ich kann mir eine normale Steckdose zum Laden suchen. Benzin aus dem Hahn an Wohnhäusern gibt es dagegen eher selten. (lacht)
Christopher, wir danken Dir für das Gespräch.
Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.