Produkttest

GPD Pocket: Ein Gerät für alles und nichts

«Was ist das?» «Sieht aus wie ein geschrumpftes MacBook!» «Wer braucht das?» Oder mein Lieblingskommentar: «Das ist ein Notebook für Katzen!» So haben meine Redaktionskolleginnen und -kollegen auf den GPD Pocket reagiert. Der Kleincomputer soll … ähm, ja, für was soll er gut sein?

Der GPD Pocket ist ein Ultra-Mobile-PCs (UMPC). Mitte der 2000er waren die der letzte Schrei. Diesem Trend haben Smartphones und Tablets ein Ende gesetzt. Sie sind so leistungsfähig, dass wir eigentlich auch alltägliche Büroarbeiten mit ihnen verrichten könnten. Dank optimierten Apps erleichtern sie uns den Arbeitsalltag. Für was brauchen wir in der Smart-Ära also noch einen mobilen Kleinst-PC?

Mir kommen spontan zwei Punkte in den Sinn. An Smartphone oder Tablet hat mir unterwegs schon öfters die Möglichkeit der Textverarbeitung gefehlt. Der GPD Pocket kommt bei digitec mit Windows 10 Home vorinstalliert. Auf dem UMPC kann ich meine Texte unterwegs auf der verbauten Tastatur tippen. Der zweite Punkt setzt bei der Mobilität an: Der Pocket passt tatsächlich, wenn auch knapp, in meine Hosentasche. Im Gegensatz zu meinem MacBook ist er viel kleiner und leichter. Das ist praktisch, wenn ich «im Feld» arbeite. Aber berechtigt das tatsächlich zum Kauf des GPD Pocket?

Passt tatsächlich in die Hosentasche, wenn auch knapp.
Passt tatsächlich in die Hosentasche, wenn auch knapp.

Wer steckt hinter dem GPD Pocket?

Ursprünglich war der UMPC ein Crowdfunding-Projekt auf Indiegogo. Dort haben über 8500 Unterstützer rund 3,5 Millionen US-Dollar zusammengetragen. Das Bedürfnis nach UMPCs scheint also auch heute noch da zu sein und das hat der Hersteller GPD erkannt. GPD steht für GamePad Digital. Wie der Name schon sagt, hat sich der in Shenzen beheimatete Konzern bisher vor allem auf die Produktion von mobilen Spiele-PCs wie dem GPD WIN konzentriert. Der GPD WIN war auch ein Kickstarterprojekt. Für den Nachfolger, den GPD WIN 2, läuft zurzeit übrigens bereits eine weitere Kickstarter-Kampagne.

Äusserlichkeiten

Grössenvergleich mit einem 14 Zoll Notebook.
Grössenvergleich mit einem 14 Zoll Notebook.

Aber zurück zum GPD Pocket. Dieser besteht aus einem Magnesium-Gehäuse. Er sieht tatsächlich wie ein zu heiss gewaschenes MacBook aus, minus das Apfel-Logo. Auf den ersten Blick wirkt er hochwertig verarbeitet. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass bei meinem Testgerät das geschlossene Display auf der linken und rechten Seite nicht bündig mit dem Gehäuse ist. Das Gehäuse wird unter Dauerlast zwar warm, aber nie heiss. Auf der rechten Seite befinden sich vier Anschlüsse:

– 1 x USB A
– 1 x USB C
– 1 x Kopfhörer-Anschluss (3.5 mm)
– 1 x Mikro-HDMI

Das ist mehr als bei einigen aktuellen MacBooks, was für die Grösse des Pockets erstaunlich ist. Bezüglich Netzwerk-Konnektivität verfügt er über WLAN (802.11a/ac/b/g/n) und Bluetooth 4.1. Der Pocket wiegt nur rund 480 Gramm, weshalb er sich nicht einhändig öffnen lässt (er kippt nach hinten um).

Für ein solch kleines Gerät verfügt der GPD Pocket über erstaunlich viele Anschlüsse.
Für ein solch kleines Gerät verfügt der GPD Pocket über erstaunlich viele Anschlüsse.

Klappt man den Monitor auf, fällt als erstes die reduzierte QWERTY-Tastatur auf. Ärgerlich für uns Schweizer: Die Umlauttasten entfallen und auch die Taste mit dem Ausrufezeichen fehlt. Ich habe ursprünglich das Schweizer-Tastaturlayout gewählt, später dann aber auf das Englische-Layout gewechselt. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ging das ganz gut. Die Tastatur an sich ist sehr gut verarbeitet und die Tasten bieten beim Schreiben ordentlich Halt. Das Schreiben ist allerdings nicht ganz einfach. Man muss sich zuerst an die engen Platzverhältnisse gewöhnen: Zehnfingersystem geht nicht. Ein Buch möchte ich mit dem UMPC definitiv nicht schreiben. Für Notizen und kürzere Texte ist die Tastatur aber in Ordnung. Schneller als mit dem Smartphone ist man allemal.

Ziemliche enge Platzverhältnisse auf der QWERTY-Tastatur.
Ziemliche enge Platzverhältnisse auf der QWERTY-Tastatur.

Auf ein Touchpad muss man aufgrund der Abmessungen von 180mm x 106mm x 18.5mm verzichten. Dafür steht ein Trackpoint zur Verfügung, den man vor allem von Business-Notebooks kennt. Die Steuerung damit ist gewöhnungsbedürftig. Zudem kann der GPD Pocket über das Multi-Touch-Display bedient werden. Dieses hat eine maximale Auflösung von 1920 x 1200 im 16:10 Verhältnis. Das Bild ist aufgrund der 323 PPI gestochen scharf. Geschützt wird das Display durch Gorilla Glass 3.Trotz der geringen Display-Grösse von sieben Zoll ist das Multi-Touch-Display sehr präzis. Ich habe es beim Arbeiten oft benutzt, vor allem fürs Scrollen oder Verschieben von Fenstern. Das Display ergänzt den Touchpoint in der Bedienung. Für längere Arbeiten würde ich dennoch eine Maus anschliessen.

Bei den äusseren Komponenten klotzt GPD. Mit seinem Magnesium-Gehäuse braucht sich der GPD Pocket nicht von High-End-Notebooks zu verstecken.

Was befindet sich da drunter?

Im Pocket steckt ein 7000 mAh Lithium-Polymer-Akku, der gemäss GPD bis zu zwölf Stunden laufen soll. Dieses ambitionierte Ziel erreichte ich in meinem Test nie. Der Pocket lief maximal sechs Stunden. Aber nur dann, wenn ich ihn für Textverarbeitung und surfen im Internet brauchte. Beim Netflixen hielt der Akku nur etwas mehr als drei Stunden durch. Das Laden der Batterie dauert mit dem mitgelieferten Netzteil unverhältnismässig lange: Auf eine vollständige Ladung wartet man gut und gerne drei Stunden. Die kurze Akkulaufzeit und lange Ladedauer beisst sich mit dem Anspruch des Pockets nach Mobilität.

Angetrieben wird der GPD Pocket von einem Quad Core Intel Atom x7 Z8750 mit 1.6 GHz und einer Intel HD Graphics 405. Der Prozessor ist bereits über zwei Jahre alt und schneidet im Vergleich zum Qualcomm Snapdragon 835, der in vielen neueren Smartphones verbaut ist, einiges schlechter ab. Hier hat GPD gespart, was sich bemerkbar macht, wenn man den Pocket für mehr als Textverarbeitung oder im Internet zu surfen braucht. CPU und GPU werden aktiv gekühlt. Der Lüfter ist auch unter geringer Last in der Büroumgebung hörbar.

Verbaut sind zudem 8 GB LPDDR3-1600 RAM und 128 GB eMMC Speicher. Die 8 GB RAM in dem kleinen Gerät sind erstaunlich. Sie schlagen sich auch positiv in der Performance nieder: Der Pocket hat mit mehreren Tabs im Firefox und parallel dazu laufendem HeavyLoad (zu diesem Test später mehr) keine grossen Probleme. Wo der GPD Pocket mit dem RAM punktet, zeigt er beim Speicher seine Schwächen. Verbaut ist – wohl aufgrund der knappen Platzverhältnisse – keine SSD, sondern eMMC-Speicher. Dieser ist bedeutend langsamer als eine SSD und wird häufig bei billigeren Android-, Windows- oder Chrome-Tablets und Laptops verbaut. Bei meinem Gerät habe ich Lesegeschwindigkeiten um 135 MB/s und Schreibgeschwindigkeiten um 90 MB/s gemessen. Für den stolzen Preis von 749 Franken des GPD Pocket ist das definitiv zu wenig.

Aussen hui, innen pfui?

Ist der GPD Pocket von der Leistung her tatsächlich so schwach, wie es auf dem Papier den Anschein hat? Um dieser Frage nachzugehen, unterzog ich den Pocket einem Stresstest und versuchte zu gamen.

Härtetest

Stress-Test mit HeavyLoad.
Stress-Test mit HeavyLoad.

Wie absturzsicher ist der GPD Pocket? Um das herauszufinden, habe ich ihn mit dem Freeware-Programme HeavyLoad getestet. HeavyLoad ist ein Stresstest, der RAM, Festplatte, Grafikkarte und Prozessor an ihre Grenzen treibt. Damit lässt sich herausfinden, wie ein Computer mit grosser Last umgeht. Das Programm sollte möglichst lange laufen. Wenn das Gerät eine Nacht durchhält, ist es sehr absturzsicher. Das Negative: Du erhältst keinen Bericht nach der Durchführung eines Tests. Für mich in diesem Fall nicht weiter schlimm, ich will ja nur schauen, wie der GPD Pocket mit Stress umgeht.

Zu Beginn lief der Test einwandfrei. Ich konnte parallel sogar noch im Internet surfen. Nach etwas mehr als drei Stunden hatte der Pocket dann aber genug: Er würgte ab und ich musste ihn neu starten. Obwohl er nicht eine ganze Nacht durchgehalten hat, bin ich dennoch überrascht, wie gut er den Stresstest überstanden hat. Und immerhin hat der UMPC abgewürgt, bevor sich Rauchschwaden gebildet haben.

Lässt sich mit dem Pocket auch gamen?

Die integrierte Grafikkarte Intel HD Graphics 405 ist bei weitem kein Grafikmonster. Auf notebookcheck.com rangierte die Karte Ende Februar auf Platz 562 der Benchmarkliste von mobilen Grafikkarten. Trotzdem sollten damit nicht anspruchsvolle, aktuelle Spiele mit geringen Details spielbar sein. Das wollte ich selbstverständlich genauer wissen. Zunächst führte ich noch eigene Benchmarks mit FurMark bei Full-HD-Auflösung durch. Ich erhielt Werte um 180 Punkte. Damit liegt die Intel 405 im GPD Pocket zwischen der ASUS GeForce 7950 GX2 (208 Punkte) und der ASUS Radeon HD 2400 (41 Punkte) an zweitletzter Stelle der Vergleichsliste von FurMark. Das war zu erwarten, der UMPC ist ja nicht fürs Gamen oder andere grafikintensive Anwendungen gedacht.

Beim Benchmark mit FurMark erreicht die Intel HD Graphics 405 lediglich um die 180 Punkte.
Beim Benchmark mit FurMark erreicht die Intel HD Graphics 405 lediglich um die 180 Punkte.

Für mich ist das nicht weiter schlimm, da ich am Computer sowieso nur Indiegames und Point-and-Click-Adventures spiele. Ich versuchte es zunächst mit «Finding Paradise», das gemäss Steam auch auf einer Kartoffel läuft. Bereits nach dem Start kam die Ernüchterung: Der Pocket konnte das Spiel bei Vollbild nicht komplett darstellen. Auf der rechten Seite des Bildschirms «gefror» das Bild. Hinzu kam, dass die Frame Rate auf gefühlte fünf Frames pro Sekunde fällt. Im Fenstermodus schaffte es der Pocket, das Bild korrekt darzustellen. Das Frame-Rate-Problem bestand weiterhin, was «Finding Paradise» für mich unspielbar machte. Fazit nach diesem Versuch: Der Pocket wurde von einer Kartoffel stehengelassen.

Die rechte Bildseite friert beim Vollbildmodus von «Finding Paradise» ein.
Die rechte Bildseite friert beim Vollbildmodus von «Finding Paradise» ein.

Das erschien mir doch etwas extrem. Deshalb versuchte ich es mit «Minecraft». Das lief auf den höchsten Einstellungen flüssig. Ich habe es dann noch mit dem Rennspiel «Asphalt 8: Airborne» probiert. Das Spiel lief auf den Standardeinstellungen wenn auch mit Ruckeln. Mit «Finding Paradise» hatte ich wohl einfach Pech. Wenn man keine grossen Ansprüche an Games auf dem PC hat, kann man also tatsächlich auf dem Pocket gamen. Man muss aber auch dann mit Abstrichen rechnen (wie ich mit «Finding Paradise»).

Fazit

Der GPD Pocket leistet also das, was man von einem UMPC mit Intel-Atom-Prozessor und eMMC Speicher erwarten kann: nicht allzu viel. Für Standard-Office-Aufgaben reicht die Leistung aber aus. Das Gerät passt tatsächlich in die Hosentasche und ist bis auf das nicht ganz bündige Display gut verarbeitet.

Obwohl ich das Ding eigentlich geil finde und gerne damit rumspiele, werde ich nie so richtig warm mit dem Pocket. Wieso? Weil er für nichts richtig zu gebrauchen ist. Er ersetzt aufgrund der verhältnismässig schlechten Akkuperformance und den Einschränkungen im Handling das «normalgrosse» Notebook nicht. Bei der Leistung hinkt er heutigen Top-Smartphones hinterher. Wer gerne unterwegs Videospiele spielt, ist mit Smartphones, portablen Spielekonsolen oder natürlich Notebooks besser bedient. Der klare Vorteil des GPD Pockets gegenüber Smartphones ist, dass er mit vollwertigem Windows 10 Home daherkommt. Das macht ihn interessant für Personen, die viel unterwegs sind und nicht so schwer schleppen möchten. Zum Beispiel an einer Messe oder auf Reisen.

Der GPD Pocket ist aufgrund der genannten Schwächen und auch des stolzen Preises von 749 Franken eher ein Nischenprodukt. Wer aber 750 Stutz rumliegen hat, für den Pocket einen Verwendungszweck findet und sich für Technik interessiert, kann bedenkenlos zugreifen.

GPD Pocket - US-Layout (7", Intel Atom x7-Z8750, 8 GB, 128 GB)
Notebook

GPD Pocket - US-Layout

7", Intel Atom x7-Z8750, 8 GB, 128 GB

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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