

Gaming-Notebook unter 1000 Franken: Kann das was?

Als man mich intern zum Testen eines Gaming-Notebooks unter 1000 Franken anfragte, war ich äusserst skeptisch, aber auch überaus gespannt. Was wohl «Mobile»-Hardware dieser Preisklasse leisten kann? Würde allenfalls sogar ein aktueller AAA-Titel darauf laufen? Ausserdem interessiert, ob sich Hersteller Medion vom Aldi-Billig-Image distanzieren kann.
Wir Menschen lassen uns oft durch Werbung manipulieren – wahrscheinlich öfter, als wir zugeben mögen. Dabei, und da möchte ich mich selbst nicht ausnehmen, verlieren wir des Öfteren den objektiven Blick auf das, was wir vor uns haben. Persönlich assoziiere ich beispielweise Lenovo und Asus als Hersteller von qualitativ guter und langlebiger Ware. Doch wenn ich ehrlich bin, basieren meine Assoziationen nicht auf dem, was diese Hersteller heute bieten, sondern auf meinen Erfahrungen der Vergangenheit. Will man einem Produkt gerecht werden, sollte man unvoreingenommen an die Sache rangehen. Daher verbanne ich sämtliche Gedanken, welche in meinem Kopf zu Medion vorhanden sind. Goodbye Aldi-Billig-PC.
«Medion Erazer X6603» – was steckt im 15.6" Gaming-Notebook?

Wie bei so manchem Hersteller, werden auch hier nicht alle Produktangaben offengelegt. Auch nicht auf der Internetseite von Medion. Mal abgesehen davon: Wer zu diesem Produkt Recherche betreibt, dem wird schnell klar, dass es diese Konfiguration des X6603 nur in der Schweiz gibt. Daher finden sich auf Herstellerseite widersprüchliche Angaben bei selbiger Produktebezeichnung.
Doch egal, ob bei der CH- oder DE-Version; es fehlen genaue Angaben über das verbaute Display, RAM, SSD, HDD und Frontkamera. Bei der verbauten Frontkamera ist mir das herzlich egal, aber bei den anderen Komponenten sind genaue Angaben essenziell, möchte man beispielsweise später von 8 auf 16 GB RAM nachrüsten. Glücklicherweise gibt es gute Software zum Auslesen der nötigen Informationen. Daher findest du in diesem Review teilweise detailliertere Angaben, als beim Produktebeschrieb im Shop.
Lumpen lässt sich Medion mit dem Einsteiger-Gaming-Notebook nicht, denn die Spezifikationen versprechen trotz Knauserpreis einiges an Leistung:
- Intel Core i5-7300HQ
- nVidia GeForce GTX 1050Ti
- 8 GB DDR4-RAM (Hynix SO-DIMM PC2400), aufrüstbar auf 16 GB (mehr wird nicht unterstützt, einer von zwei Steckplätzen ist belegt)
- 128 GB SSD (Samsung PM961 M.2 PCIe) und 500 GB HDD (Seagate Momentus Thin, 5400 RPM)
- 15.6" Full-HD-IPS-Display (matt)
- Harman-Lautsprecher mit Dolby Audio Premium Zertifizierung
- Full-HD-Frontkamera und Mikrofon
- 3-Zellen Li-Ionen Akku mit 3910 mAh
- Windows 10 Home
Das verbaute matte 15.6" IPS-Display stammt übrigens aus der Manufaktur von LG, bietet 1920 x 1080 Pixel, eine Helligkeit von 250 cd/m² sowie einen Kontrast von 700:1.
Um dem folgenden Test etwas vorzugreifen: Wie sich bei direkter Sonneneinstrahlung zeigte, reicht die höchste Helligkeitstufe nicht, um ohne Ärger spielen zu können. Allerdings erfüllt diese Anforderung kaum ein Display. Dies fiel mir auf, da sich die Sonne am Wochenende ausnahmsweise zeigte und durchs Dachfenster aufs Notebook strahlte. Ansonsten gefällt das Display gut, die Farbgebung wirkt natürlich und der Blickwinkel ist stabil genug, um auch leicht versetzt zum Display sitzen zu können. Die Reaktionszeit genügt zum Spielen, auch wenn ein IPS-Display nicht zwingend die erste Wahl eines Gamers ist. Wer mehr Informationen zum Display benötigt, findet weitere Details hier.

Betrachten wir die Anschlüsse und Schnittstellen des 2,5 kg schweren Notebooks, ist folgendes mit von Partie:
- WLAN (Intel Wireless-AC 8265) nach Standard IEEE 802.11ac mit integriertem Bluetooth 4.1
- 1 x LAN (RJ45, bis 1000 Mbit/s)
- 1 x USB 3.1 Typ C
- 2 x USB 3.1
- 1 x HDMI
- 1 x Audio-Kombo (Mic-in, Audio-out)
- Multikartenleser für SD, SDHC und SDXC-Speicherkarten

Leider wurde dem Notebook kein DisplayPort spendiert. Ansonsten erfreut, dass auch bereits ein USB-Anschluss Typ C verbaut wurde.
Unboxing: Nichts für Mädchen
Das Produkt ist schnell ausgepackt – eine unspektakuläre und kaum erwähnenswerte Angelegenheit. Zum Vorschein kommen Notebook, ein externes Netzteil sowie Schnellstartanleitung und Sicherheitshandbuch. Ich bin nicht der Typ, welcher bei Elektronikartikel wegen des Designs oder dem verarbeiteten Material gross Gefühle entwickelt. Daher gibt es an dieser Stelle von mir weder ein Wow, noch sonstige Lobhudelei. Was für mich zählt, sind Innenleben und eine saubere sowie durchdachte Verarbeitung – alles andere ist Zugabe. Hier verhält es sich für mich ein wenig wie bei der Liebe.

Dass meinem Testgerät nicht nur liebevolle Gedanken zukommen, zeigt sich in den Stunden nach dem Unboxing. Es ist normal, dass bei einem Produktetest bei der Arbeit viele Mitarbeitende neugierig reagieren. Auch an spitze Kommentare habe ich mich gewöhnt. Doch Medions Erazer-Design löst andere Reaktionen aus, als ich erwartet hätte. Männliche Personen zeigen sich interessiert und fragen nach dem Innenleben und nach meiner bisherigen Meinung. Frauen hingegen weisen mich auf das hässliche Design des Notebooks hin. Die blaumetallisch schimmernden Plastikelemente am Displaydeckel sollen aber auch eher Gamer ansprechen. Unter diesen ist nun mal die männliche Gattung häufiger vertreten. Für mich geht das Design jedenfalls in Ordnung – sollte ich doch irgendwann genug davon haben, werde ich einen fetten Hello Kitty Kleber anbringen.
Material und Verarbeitung
Das Notebook-Gehäuse besteht grösstenteils aus Kunststoff. Der Displaydeckel und die Oberseite der Base sind zusätzlich mit einem Soft-Touch-Finish versehen, was sich überaus angenehm anfühlt. Dafür ist es nicht gegen Fingerabdrücke resistent, was aber kaum stört. Es ist robust verarbeitet und übersteht einen ersten Drucktest mit Bravur. Da knarzt nichts – der Kunststoff der Base und des Displaydeckels geben nicht nach.
Chiclet-Tastatur und Touchpad

Die Tastatur mit Kaugummidesign erinnert mich bei den ersten Tipp- und Gaming-Versuchen vom Tastaturanschlag her etwas an die DeathStalker Chroma von Razer. Die Tasten sind relativ flach, wodurch die Druckzeit verringert wird. Der Druckpunkt der Tasten ist klar definiert und fühlt sich gut an. In Sachen Lautstärke kommt das Tippen leise und dezent rüber. Die Oberfläche der Tasten ist angenehm glatt. Die Tastatur verfügt über eine einschaltbare Hintergrundbeleuchtung mit zwei Stufen.

Betrachte ich das Tastaturlayout, fällt als erstes auf, dass der Nummernblock in ungewohnter Form daherkommt. Die Eingabetaste fehlt, woran ich mich bei Büroarbeiten nur schwer gewöhnen kann. Ausserdem sind die Pfeiltasten direkt darunter angeordnet, was anfangs etwas irritierend ist. Allerdings kann ich diesbezüglich bei einem Gaming-Notebook gut ein Auge zudrücken.
Direkt unterhalb der Leertaste befindet sich ein Touchpad mit blauer Umrandung. Clickpad-Funktionen sucht man bei diesem vergebens, was für mich nicht schlimm ist. Was mich aber stört, ist, dass lediglich unterhalb des Touchpads Tasten angebracht sind. Da das Notebook in erster Linie zum Gamen herhalten soll, rückt die Funktionalität des Pads in Anbetracht einer externen Maus aber sowieso in den Hintergrund.
Inbetriebnahme: Mühsames Deinstallieren und Updaten
Nach Inbetriebnahme des Notebooks wird es mühsam, denn ich störe mich ab all den vorinstallierten Testversionen diverser Programme. Was ich bisher von Android-Phones gewohnt war, scheint nun auch im PC-Segment angekommen zu sein. Oder versucht man uns schon seit jeher irgendwelche Programme unterzujubeln? 😉
Jedenfalls verbrate ich gegen 45 Minuten mit Deinstallieren.
Noch mühseliger wird das Updaten von Windows. Dummerweise habe ich den Windows-10-Update-Assistenten entdeckt und angeworfen. Da ich nebenbei an meinem Arbeitsnotebook anderen Tätigkeiten nachgehe, bemerke ich erst nach zwei Stunden, dass das Update irgendwie feststeckt. Daher starte ich das Notebook neu und werfe den Assistenten erneut an. Nach einer Sitzung, Kaffee-Pause und einem leckeren Berliner des nahen Becks bemerke ich, dass die Installation erneut hängt.
Mein Geduldsfaden reisst. Ich deinstalliere den Update-Assistenten und gehe direkt in die Windows-Update-Funktion in der Systemsteuerung. Eine Stunde später sind sämtliche Updates installiert. Endlich darf ich mich dem zuwenden, was ich schon lange tun wollte; Gamen am Arbeitsplatz!
Lasst die Spiele beginnen!
Klar, ich könnte zwecks Ausloten der Leistung nun zig Benchmarks laufen lassen und dir die FPS und Punkte durchgeben. Die könntest du dann mit anderen Konfigurationen vergleichen und einschätzen, wo das Notebook ungefähr anzusiedeln ist. Nur, was bringt das Ganze? Ich (und du hoffentlich auch) möchte schlichtweg wissen, was ich mit diesem Teil gamen kann. Daher verzichte ich auf grössere Benchmarkausflüge. Falls es dich dennoch interessiert, findest du hier zumindest das Ergebnis des Open GL Benchmarks FurMark.
Ein Wort zu Grafikkarte, Lautsprecher und Akku
Die Nvidia GeForce GTX 1050 Ti wurde im Januar 2017 eingeführt und ist bei den Mittelklassen-GPUs anzusiedeln. Sie wird im 14-nm-Verfahren gefertigt – die Notebook-Version unterscheidet sich im Vergleich zur Desktop-Version lediglich leicht beim Takt, bietet aber auch 768 Shadereinheiten. Die verbauten 4 GB GDDR5-Arbeitsspeicher sind über ein 128-Bit-Interface angebunden. Die Performance dieser Grafikkarte ist auch von der jeweiligen verwendeten Kühlung abhängig und kann in verschiedenen Notebooks stark abweichen. Der Kerntakt beträgt 1493 - 1620 (Boost) MHz, der Speichertakt 7000 MHz und die Leistungsaufnahme ca. 70 Watt.

Die Harman-Lautsprecher mit Dolby-Audio-Premium-Zertifizierung klingen trotz mickrigen 2 x 2 Watt relativ gut. Der Sound ist klar, was auch daran liegen wird, dass die Lautsprecher nicht direkt in der Base integriert sind. Sie sind gut sichtbar unterhalb des Displays angebracht und sogar mit einem Metallgitter versehen.
Falls du vorhast, mit einem 2,5 kg Gaming-Notebook ohne Stromanschluss zu spielen, solltest du das gleich wieder vergessen. Der verbaute Akku bringt dir rund eine Stunde Spielzeit, danach ist sense. Alternativ kannst du das Spielepaket von Microsoft öffnen und stundenlang Solitaire zocken. Ich kann das leider nicht, da das Spielepaket längst im Nirwana däumchen dreht.
AAA-Titel angezockt: 43 FPS bei mittleren Grafikeinstellungen
«Kingdom Come: Deliverance» ist aktuell, bietet wunderschöne Grafik und kann jede moderne Grafikkarte bis zum Anschlag ausreizen. Das perfekte Game, um die Performance des Notebooks auf Herz und Nieren zu testen. Zur Überprüfung der Leistung habe ich MSI Afterburner installiert und lasse mir damit die Temperatur und Auslastung von Grafikkarte und Prozessor sowie die FPS darstellen.
Ich starte das Spiel und der Lüfter des Laptops beginnt zu rauschen. Meine Dezibel-App des Smartphones misst konstante 32 Dezibel. Solange man mit Sound spielt, ist der Lüfter kaum zu hören. Bei nächtlichen leiseren Gamingstunden könnte das Geräusch aber auch als störend empfunden werden. Doch wer gerne mit leicht geöffnetem Fenster autofährt oder im Sommer einen Frischluftventilator benutzt, wird keine Probleme damit haben.
In den Grafikeinstellungen wähle ich zuerst «sehr hohe» Voreinstellungen und starte das Game mit einer Auflösung von 1920 x 1080 Pixel.

Das Game sieht wirklich toll aus, ist aber nicht zu spielen. Auf sehr hoher Stufe bewegen sich die FPS zwischen 20 und 30. In Kämpfen fallen sie sogar auf rund 15.
Ich schraube die Grafikeinstellungen auf «hoch» runter. Das Game lässt sich damit minimal besser Spielen und bringt im Schnitt 30 FPS. Kämpfen geht aber auch damit nicht.
Schlussendlich lande ich bei «mittleren» Grafikeinstellungen. Endlich läuft alles füssig; im Schnitt messe ich 43 FPS. Bei Kämpfen oder komplexeren Situationen sinken die FPS auf rund 35. Respekt, endlich macht das Zocken auf dem Erazer Spass.

Fantasy-Strategie stürzt nach 40 Minuten Spielzeit ab
Ich probiere weitere Games aus und lande irgendwann beim Fantasy-Strategie-Game «Might & Magic Heroes 7». Es lässt sich ohne Probleme auf höchster Stufe spielen, scheint aber lausig programmiert zu sein. Denn nach rund 40 Minuten beginnt es zu stocken. Der RAM ist voll und scheinbar hat das Game Mühe, sobald auf die Festplatte gecached werden muss.
Klar, das Notebook kann nicht viel für eine vermutete lausige Programmierung. Doch hätte ich anstelle der 8 GB, 16 GB RAM zur Verfügung, könnte ich bestimmt gegen zwei Stunden spielen, ehe das Game abstürzt. Übrigens war auch bei «Kingdom Come Deliverance» der RAM schnell ausgelastet, doch ich konnte problemlos bei mittlerer Stufe weiterspielen.
«Skyrim» flutscht mit top Grafikeinstellungen
Kein Wunder, aber dennoch toll:
Ältere Games, wie «The Elder Scrolls V: Skyrim» (Special Edition), laufen mit bester Grafikeinstellung flüssig. Bei «Skyrim» erhalten wir auf «extrem hoch» zwischen 40 und 60 FPS.

Fazit: Rauschend und berauschend zugleich
Dass aktuelle AAA-Titel auf mittlerer Stufe spielbar sind, hätte ich vor dem Test nicht gedacht. Die Haptik der Tastatur gefällt beim Gamen und die Farbdarstellung des 1080p IPS-Displays spricht mich wegen der natürlichen Farbgebung an.
Medion konnte mich mit dem Erazer X6603 positiv überraschen. Verarbeitung und Ausstattung kann sich in Sachen Preis-Leistung absolut sehen lassen. Mehr Hardware für noch weniger Geld liegt momentan kaum drin. Dennoch ist es schade, dass dieses Notebook nur mit 8 GB RAM ausgerüstet ist. 8 GB mehr würden nicht nur der Gaming-Performance gut tun – insbesondere Photoshop-Enthusiasten könnten auch davon profitieren. Daher empfehle ich bei einem Kaufentscheid auch gleich den passenden Riegel RAM dazu zu bestellen.
Übrigens:
Der Ruf von Medion hat sich in meinem Kopf in den vergangenen Wochen stark gewandelt. Ich weiss nun, dass die deutsche Firma sehr wohl mit grossen Herstellern mithalten kann. Wahrscheinlich werde ich dank diesem Review künftig noch weniger auf den Aufdruck einer Marke achten. Um erneut den Vergleich zum Menschen zu ziehen: Auch bei Hardware-Herstellern zählt nicht, was deren Marketing sagt. Essenziell ist immer nur, was real getan/hergestellt wird.


Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.