

«Fifa 18» im Test: Ich sag dir, was es kann!

FIFA im September ist wie der Weihnachtsbaum zu Weihnachten: Es gehört einfach dazu. Dieses Jahr kriegen wir eine verbesserte Grafik, mehr Atmosphäre, die Fortsetzung vom beliebten Story-Modus und Legenden zum Anfassen. Ob sich das Warten gelohnt hat?
«Das sieht ja immer noch genau gleich aus wie letztes Jahr. Einfach in grün.» Kennt ihr diese vorwurfsvollen Kommentare, wenn ihr euren Freunden davon erzählt, dass ihr euch das neue FIFA gezogen habt? Klar, EA erfindet das Rad auch dieses Mal nicht neu. Aber sind wir ehrlich: das erwartet auch niemand. Das bedeutet aber nicht, dass das Spiel sich nicht weiterentwickelt – und zwar spürbar! Es ist nicht die eine, grosse Änderung, es sind die vielen, kleinen Details, die das grosse Ganze ausmachen.
FIFA 18 sieht verdammt schick aus
Ich bin beeindruckt. Vor einem Jahr versprach uns EA mit der Frostbite-Engine revolutionäre Änderungen, die sich sowohl auf die Grafik wie auch auf das Gameplay auswirkten würden. Ein Versprechen, das dieses Jahr endlich eingelöst wurde. Neue Lichtfilter für die über 80 Stadien im Spiel sorgen für einen noch realistischeren Look, wo nicht nur Tages- und Nachtzeit, sondern auch die geographische Region einen spürbaren Einfluss aufs Bild nehmen. Ebenfalls längst überfällig: Die matschigen Zuschauer. Diese wurden durch hochaufgelöste 3D-Modelle ersetzt und vollführen nicht nur stimmige Choreos auf den Rängen, sondern stürmen bei einem Tor bis ans Geländer oder weichen Schüssen aus, die man zwei Meter über die Torumrahmung spediert (was ziemlich witzig ist). Wie immer über alle Zweifel erhaben sind die allgemeinen Stadiongeräusche, Fangesänge und das Raunen bei einem knappen Fehlschuss; das empörte Aufschreien bei einem nicht geahndeten Elfmeter oder die pure Ekstase, wenn mein Team in der 91. Minute den Siegestreffer erzielt.

Auch auf dem Platz hat sich einiges getan. Gerade die Superstars sehen ihren realen Vorbildern zum Verwechseln ähnlich. Stark verbessert haben sich Mimik und Gesichtszüge der Spieler. Emotionen wie Freude, Wut und schierer Unglaube (wenn Messi aus drei Metern Entfernung das leere Tor nicht trifft) sind nun Gemütszustände, die sich tatsächlich so erkennen und voneinander unterscheiden lassen. Neu werden die Animationen und Laufbewegungen pro Frame berechnet und nicht mehr in einzelnen, kleinen Sequenzen. Verstörende und geradezu groteske Bilder von Spielern, die sich das Bein scheinbar aus- und sogleich wieder einrenkten, nur um den Fuss in korrekter Schussposition zu bringen, sind gottseidank passé. Überhaupt wirken alle Bewegungen nun deutlich geschmeidiger und natürlicher – ein echter Fortschritt!

Und was steckt unter der Grafik-Haube?
Das gedrosselte Spieltempo fällt sofort ins Auge. Damit bewegt sich FIFA 18 wieder ein kleines Stück in Richtung Fussball-Simulation, wie es sein ewiger Konkurrent aus Japan sein will. Und – das muss man so anerkennen – es gelingt durch die Bank weg.
Das Gameplay bietet kaum Angriffsfläche: Pässe lassen sich direkter spielen, Flanken kann man besser steuern und drehen sich mit noch mehr Effet in den Strafraum rein. Angeschnittene Schüsse sind wieder mächtiger, landen aber nicht mehr so häufig im Netz, wie es in der Demo noch den Anschein hatte. Einzig Fernschüsse fühlen sich noch einen Zacken zu stark an. Gerade in Online-Partien ist es frustrierend, wenn solche Schüsse aus der Entfernung, gegen die man als Verteidiger nicht wirklich etwas unternehmen kann, mit einer unglaubwürdigen Regelmässigkeit im Tor landen. Da muss EA nachjustieren.

Durch die gedrosselte Spielgeschwindigkeit ist das Feedback beim Steuern der virtuellen Akteure präziser und fühlt sich befriedigender an. Einfache Dribblings lassen sich mit fast allen Spielern vollführen und benötigen keine anspruchsvolle Fingerakrobatik mehr. Das bedeutet aber nicht, dass jeder dahergelaufene Möchtegern zu Ronaldinho 2.0 wird, denn selten hat die Gamer-Floskel «easy to learn, hard to master» so sehr zugetroffen wie hier. Schnelle Spieler haben immer noch Vorteile, wenn sie über die Flügel kommen, können aber mit körperlich starken Verteidigern besser gekontert werden als zuvor. Überhaupt spielt die Physis in FIFA 18 eine grössere Rolle: Ballabschirmen ist nun eine effiziente Waffe im Spielaufbau und gibt grossen, weniger agilen Spielern endlich eine Daseinsberechtigung.
Apropos Physik: Der Ball wirkt schwerer, wodurch Vollspannschüsse satter werden und Bälle nicht mehr unrealistisch rumhüpfen wie Luftballons. Bei schlechten Zuspielen prallen sie auch schon mal vom Fuss ab, verspringen oder flutschen doch noch irgendwie zwischen Freund und Feind durch, wo sie dann unverhofft einen Abnehmer finden. Die KI-Mitspieler verschieben besser und antizipieren sinnvoll. Angreifer nutzen den Oberkörper zum Abdrängen von Verteidigern und diese gehen wiederum bis an die Grenzen des Erlaubten, um bei Tacklings den Ball in letzter Sekunde wegzuspitzeln. Alles in allem bietet FIFA 18 ein fantastisches Spielerlebnis mit sehr wenig Macken.

Hunter returns – die Rückkehr von «The Journey»
Der Story-Modus aus FIFA 17 feierte letztes Jahr grossen Erfolg. Kein Wunder, wird in FIFA 18 Hunters Rückkehr geradezu zelebriert. Die Fortsetzung beginnt da, wo der erste Teil aufgehört hat: Alex Hunter, frischgebackener Double-Gewinner (Pokal und Meisterschaft), hat eigentlich nichts anderes im Sinne, als sich auf sein Team und seine Fussballkarriere zu konzentrieren. Die heile Welt beginnt zu bröckeln, als erste Transfergerüchte die Runde machen...
Zu Anfang dürfen wir wählen, ob wir «unseren» Hunter aus FIFA 17 importieren oder gleich mit einem neuen, frischen Hunter loslegen möchten. Ich habe mich natürlich für meinen Hitzkopf aus Teil 1 entschieden, dessen Wertung ich auf 75 gepusht hatte (der «frische» Hunter startet bei 71). Die Story wird persönlicher. Die angespannte Beziehung zwischen Alex und seinem Vater, die im ersten Teil angedeutet wurde, wird vertieft. Zudem drohen viele Verlockungen den Kopf des immer noch jungen Fussball-Talents zu verdrehen. Überhaupt verlagert sich die Geschichte eher weg vom Sportler-Drama hin zur Seifen-Oper. Das stört aber keineswegs, weil die Inszenierung dank Frostbite-Engine wirklich gelungen ist. Im Vergleich zum Vorgänger legte man in Sachen Mimik und Gestik zu, die Geschichte kann zudem mit einigen unvorhergesehenen Twist bis zum Schluss unterhalten – ein markanter Unterschied zum Vorgänger, wo der Story zwischenzeitlich die Puste ausging.

Für die Fortsetzung wurde selbstverständlich auch an der Star-Power geschraubt. So begegnet Alex auf seinem Weg zum Ruhm Fussball-Persönlichkeiten wie Rio Ferdinand, Thierry Henry oder Christiano Ronaldo. Mehr möchte ich aus Spoiler-Gründen gar nicht preisgeben. Was wirklich toll für die Atmosphäre ist: Alle Profis haben ihre Parts höchstpersönlich eingesprochen.
Nebst der stimmigen Inszenierung gibt es auch noch ein paar Detailverbesserungen: Alex lässt sich nun mit Frisuren, Kleidungsstücken und Tattoos noch mehr individualisieren, und durch Aufgaben, die dem Spieler über die sechs Story-Kapitel hinweg gestellt werden, lassen sich noch mehr Goodies freispielen. Zu guter Letzt sorgen Spezialentscheidungen dafür, dass sich die Dialogoptionen stärker auf die Story und auf Hunters Beziehung zu seinen Mitmenschen auswirken.

Ultimate Team
Laut EA sei der meistgespielte Modus «FUT – FIFA Ultimate Team». Anhand von virtuellen Spielerkarten werkelt sich der Spieler aus einer Gurkentruppe ein galaktisches Dream-Team zusammen. Diverse Eigenschaften wie Clubzugehörigkeit, Nationalität oder Liga, in der die Akteure im wirklichen Leben spielen, verbessern die Team-Chemie und erhöhen dadurch die Spielerwerte auf dem virtuellen Platz. Dadurch bekommt der Modus mehr taktische Tiefe, weil man – will man wirklich das Maximum aus der Mannschaft herauskitzeln – Stars nicht ohne Weiteres zusammenschmeissen kann. Das hat in den vergangenen Teilen schon ordentlich Laune gemacht. Und tut dies immer noch.
PS4- und PC-Spieler freuen sich dieses Jahr auf die Legenden (neu Ikonen genannt), die Xbox-Spieler schon aus dem Vorgänger kennen. Ikonen sind ehemalige Fussball-Profis, welche die Geschichte des Sports ausgemacht haben: Spieler wie Maradonna, Pelé, Ronaldinho oder Zinedine Zidane. Auch für Xbox-Spieler ist neu, dass es pro Ikone jeweils drei Versionen gibt, die den Spieler an unterschiedlichen Punkten seiner Karriere wiederspiegelt. Diese Versionen unterscheiden sich nicht nur von den Spielerwerten her, sondern haben auch verschiedene, optische Erscheinungen. Für Fussball-Nostalgiker wie mich ist die Implementierung der Ikonen ein nettes Goodie – mehr aber auch nicht. Revolutionäre Änderung bleiben dieses Jahr aus, was ich aber gar nicht schlimm finde: FUT gibt es bereits seit FIFA 11, das Konzept dahinter ist gut durchdacht und bewährt. Darüberhinaus wird EA es bestimmt nicht riskieren, denjenigen Modus zu verschlimmbessern, wo mit unbeliebten Mikrotransaktionen viel Geld zu verdienen ist.

Fazit

Das beste vorneweg: FIFA 18 hat eigentlich nichts falsch sondern fast alles richtig gemacht. Die Frostbite-Engine lässt seine Muskeln spielen, sowohl grafisch wie auch vom Gameplay her. Die Physik wurde stark verbessert und lässt Zweikämpfe wuchtig und realistischer erscheinen als je zuvor, zudem wurde vor allem bei den bekannten Stars an Mimik und Emotionen geschraubt. Dadurch, dass das Spieltempo etwas gedrosselt wurde, gewinnt die Simulation an Realismus und lässt einen gepflegten Spielaufbau zu.
Einen spürbaren Schritt nach vorne macht auch die Stadion-Atmosphäre: Angefangen mit den verbesserten Lichteffekten, die unterschiedliche Regionen und Tageszeiten realistisch wiedergeben, bis hin zu den 3D-animierten Zuschauern, die tatsächlich so etwas wie ein Eigenleben entwickeln, wenn sie Tanz-Choreos aufführen oder bei Toren bis zur Spielabgrenzung vorstürmen.
The Journey geht wenig überraschend in die nächste Runde und überzeugt durch eine spannende und bis zum Schluss fesselnde Story. Ebenfalls erfreulich: Es gibt deutlich mehr Abwechslung als im zwischenzeitlich monoton wirkenden Vorgänger. Das Gesamtpaket wird für die FUT-Liebhaber mit den gelungenen Ikonen ergänzt, welche das Fussballherz von so manchen Fussball-Nostalgiker höherschlagen lässt. Also: Klare Kaufempfehlung!
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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»