Umfrage
Wie kontrollierst du dich?
- Garnicht. Mein Smartphone und ich sind eins.47%
- Ich lege es einfach aus dem Sichtfeld.45%
- Durch Achtsamkeits-Apps.8%
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
In der Ausstellung «Fantastic Smartphones» beleuchten ECAL-Studierende mit einem Augenzwinkern unsere Beziehung zu Smartphones. Zu sehen sind Accessoires, interaktive Installationen und Roboter-Performances, die zum Nachdenken anregen. Wie guttun sie uns wirklich?
Während der Mailänder Möbelmesse habe ich auch die parallel laufende Ausstellung mit dem Titel «Fantastic Smartphones» besucht. Da waren keine neuen Möbeldesigns zu sehen, sondern Arbeiten rund um das scheinbar unentbehrlich gewordene Smartphone. Die Medien- und Interaktionsdesign Studierenden der ECAL hinterfragen in 14 Projekten das Verhältnis zwischen Mensch und Technik. Fünf davon, haben mich besonders angesprochen.
Schon vor zwei Jahren hatte ich nach Wegen gesucht, meine Screen-Zeit zu minimieren. Damals kam ich unter anderem auf die Idee, einen Turm aus Gegenständen auf meinem Handy zu bauen, damit ich mir jeden Griff danach zweimal überlege. Für das Projekt «Smartphone Symbiosis» wurden von Studierenden Objekte designt, die in eine ähnliche Richtung gehen. Wo manche Entwürfe dabei helfen sollen, sich vom Mobiltelefon zu lösen, fördern die anderen einen kontrollierteren Umgang damit.
LIA – Leave it alone: Bastien Classens und Léonard Guyot haben ein Gefäss designt, das den Griff zum Handy durch geneigte Kanten erschwert und so verhindert, dass du öfter als nötig am Bildschirm klebst. Nur wenn vorher definierte Priorität-Nachrichten hereinkommen, kannst du es haben. Anfassen ist bei der Ausstellung nicht erlaubt, aber Anschauen allein genügt mir, um sagen zu können: Nicht mal ein Fingernagel passt zwischen das Case «LIA» und das Objekt der Begierde.
Wie kontrollierst du dich?
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Anti-Stress-Case: Auch das nächste Design von Kylan Luginbühl und Aurélien Pellegrini kann ich nicht berühren. Trotzdem stelle ich mir die textile Oberfläche um einiges weicher als jede Plastikhülle vor. Das «Anti-Stress-Case» soll beruhigend wirken. Es bietet dir Module mit haptisch ansprechenden Oberflächen an. Je mehr du damit spielst, desto weniger «pushy» sollen sich Push-Notifications und Co. anfühlen.
Desktop Notification Center: Wie dich Nachrichten ausserdem weniger stören könnten? Wenn sie nicht vom Handy kommen: Die Schreibtischaccessoires von Pablo Bellon und Ivan Chestopaloff benachrichtigen dich subtiler. Dazu teilen sie die Benachrichtigungen in drei Kategorien ein: «Wichtig» (important) für Anrufe, «nicht dringend» (not urgent) für Nachrichten und «zwecklos» (futile) für Social Media Aktivitäten. Obendrein sind der Blumentopf und Stifthalter dekorativ.
TicTocLock: Durch Finger- oder Gesichtserkennung ist das Entsperren von Smartphones zwar einfacher und unbewusster geworden. Oft möchte ich aber nur die Zeit checken, weil ich keine Armbanduhr besitze und schwupps finde ich mich auf Pinterest wieder. Um solche unbeabsichtigten Besuche von Apps einzudämmen, haben Paul Lëon und Diane Thouvenin das Schloss «TicTocLock» entworfen. Es gibt dir die Kontrolle zurück, indem es zum Entsperren mehr Aufwand fordert und dir mit einer Schnur zum Aufziehen die Zeit vor Augen hält. Für visuelle Menschen wie mich ein wichtiges Feature.
Mistarget: Hast du dich schon einmal über Gin oder Laufschuhe unterhalten und kurz darauf in Apps Werbung erhalten? Wenn du dich gefragt hast, ob du abgehört wirst und kommt dir das Tool «Mistarget» von Antoine Barras und Guillaume Giraud gelegen. Es ist da, um dein Smartphone mithilfe einer speziellen Technologie auf die Probe zu stellen.
Sobald dein Handy damit verbunden ist, beginnt das Dock irreführende Konversationen mit Konsumwünschen abzuspielen. So kannst du wohl im Anschluss prüfen, ob deine Apps dadurch beeinflusst werden oder zum Schluss kommen: «Ich bin einfach nur paranoid und habe nicht nur ein loses Mundwerk, sondern auch unendlich viele Metadaten von mir im Netz.»
Glaubst du, dass du abgehört wirst?
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Drastischere Massnahmen ergreift der Automat «Meanwhile», den die Studierenden Léonard Guyot, Maya Bellier, Paul Lëon entwickelt haben. Anstatt das Smartphone nur schwerer zugänglich zu machen, konfisziert er es gleich ganz. Wenn du es in den Schlitz an der Vorderseite des Automaten schiebst, saugt er es ein und druckt jede Sekunde ein Ticket aus. Darauf steht, was in der Zwischenzeit auf globalen digitalen Netzwerken passiert ist und was du so alles hättest machen können.
Auf meinem Ticket lese ich Dinge wie «2829 Bilder wurden auf Instagram publiziert» oder «Du hättest ein Bonbon auspacken können». Dass ich mich mal nicht durch eine Bilderflut im Netz gescrollt habe erleichtert mich irgendwie. Und das mit dem Bonbon macht mich neugierig. Was könnten du und ich eigentlich noch so alles machen, während wir am Bildschirm kleben? «Meanwhile» rückt unsere Smartphone-Nutzung in Perspektive. Als der Automat mein Handy wieder ausspuckt, erscheint der Hinweis «Take your time» – nimm dir deine Zeit. Ein kleiner Reminder fürs nächste Mal, nicht das Handy zu nehmen, sondern etwas anderes zu unternehmen.
Da ich nicht weiss, wo die Remote Server physisch sind, über die meine Nachrichten und Bilder versendet werden, sind sie für mich nicht greifbar. Was passiert eigentlich in der Cloud? Die Installation «In the Clouds» von Nora Fatehi, Souhaïb Ghanmi, Dorian Jovanovic, Michael Pica und Malik Sobgoui bietet die Möglichkeit, das herauszufinden. Sie schickt mein Smartphone physisch in die «Wolke».
An einem Roboterarm befestigt, wird das Handy in eine künstliche Wolke gehoben, in der es eine visuelle Allegorie dessen entdeckt, was darin liegen könnte. Und das ist einiges, wie ich später sehe, als es wieder zurückkommt. Von Bildern, Textfetzen bis hin zu irgendwelchen Emojis sehe ich in einem Video danach, was sich dort abspielt. Da es sich aber nur um eine Simulation handelt, ist nichts Spannendes für mich dabei ...
Häufig bleibe ich in einem Sumpf von Bildern auf Apps stecken und verliere jegliches Zeitgefühl. Schuld daran ist «Infinite scrolling», eine Webdesign-Technik, die kontinuierlich Inhalte lädt, während wir auf der Seite nach unten scrollen. Zu diesem Effekt haben Pablo Bellon, Kylan Luginbühl, Yaël Sidler die Installation «The Kinetic Scroll» umgesetzt. Sie besteht aus einer Reihe von Smartphone-Robotern, die endlos über Bildschirme streichen. Zu sehen sind farbenfrohe Bilder. Sie ziehen so schnell vorbei, dass ich kaum etwas erkennen kann.
Die Installation wirkt hypnotisierend auf mich und gleichzeitig gewohnt. Genauso schnell speede ich oft durch meine Feeds. Nur, um dann gleich wieder zu vergessen, was ich gerade gesehen habe. Wozu das ganze gedankenlose Gescrolle? The Kinetic Scroll regt mich an, künftig einen Gang runterzuschalten.
Wie erlebst du Infinite scrolling?
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Ich finde Texterkennungsfunktionen nicht hilfreich. Je häufiger ich sie nutze, desto mehr muss ich im Anschluss korrigieren. Für ihre Arbeit haben Lisa Kishtoo, Bastien Mouthon, Diane Thouvenin Schreibgewohnheiten untersucht. Unsere Geräte schlagen eine Wortfolge vor, die zu unserem Schreibstil passen soll. «Taptaptap» nutzt dieses Feature, um es zwei Computern zu ermöglichen, nur mit automatischer Texteingabe zu chatten.
Der Roboter besteht aus einem Smartphone und mechanischen Fingern, die vorgeschlagene Wörter auswählen, um Sätze zu bilden. Um die Kommunikation zwischen zwei Zwillingsmodulen zu ermöglichen, wird das Prinzip dupliziert und in einer Messenger-App verwendet. Der Maschinendialog ist kreativer als ich es erwarte und enthält teilweise richtig poetische Wendungen. Trotzdem werde ich weiterhin auf die Texterkennung verzichten. Zum einen, weil mir niemand abnimmt, dass ich auf einmal dichten kann und zum anderen, weil ein frei erfundenes, wenn auch falsch geschriebenes Wort, hier und da besser zu meinem Stil passt.
Die Möglichkeiten, die uns Smartphones geben, sind fantastisch. Trotzdem überfordern sie mich manchmal und führen zu unbewussten Verhaltensmustern. «Fantastic Smartphones» bietet einen soziologischen Blick darauf und kombiniert ihn mit der richtigen Portion Ironie. Die Ausstellung zeigt mir, dass ich nicht allein bin und anderen Mobiltelefone auch zu schaffen machen. Und es beruhigt mich, zu sehen, dass neue Ansätze gesucht werden, wie das Smartphone wieder mehr Spass machen kann.
Nach der Mailänder Designwoche wandert die Ausstellung als Nächstes zur Galerie l'elac in Lausanne und im Anschluss zum Kikk-Festival in Belgien. Die Tour-Daten und weitere Informationen findest du auf der offiziellen Website. Und für alle, die keinen Besuch schaffen, gibt ein Video weitere Einblicke:
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.