Ein letztes mal das Auto feiern mit «Gran Turismo 7»
Mit «Gran Turismo 7» kehrt die Mutter aller Konsolen-Rennsimulationen auf die Playstation zurück. Der «Real Driving Simulator» ist eine Ode ans Auto und an die letzten 25 Jahre «Gran Turismo».
Wir schreiben Mai 1998. Céline Dion trällert uns «My Heart Will Go On» entgegen. In meinem Panini-Heft zur WM in Frankreich fehlen noch eine Handvoll Sticker. Nach der Schule fahre ich mit dem Fahrrad immer direkt zu «Next Level», einem kurzlebigen Video Game Store gleich um die Ecke. Ich traue meinen Augen kaum, was dort eines Nachmittags über die «gigantischen» 32-Zoll-Röhrenbildschirme flimmert: Die atemberaubende Rennsimulation «Gran Turismo». Echte Automodelle, die sich dank simulierten Stossdämpfern in der Kurve neigen. Mit leicht zugekniffenen Augen ist der Unterschied zwischen echtem und virtuellem Auto nicht zu erkennen.
25 Jahre später ist der Verbrennungsmotor kurz davor, durch Elektroantriebe ersetzt zu werden. Es scheint fast, als ob Gran Turismo in der siebten Version dem Auto ein letztes Denkmal setzen will. Tonnenweise Infos zur Geschichte, liebevoll zusammengetragen und recherchiert bilden die Grundlage für das umfangreiche Rennspiel. Hier geht es nicht primär ums Autofahren, es geht darum, das Auto zu erleben und ein letztes Mal dem Verbrennungsmotor als Relikt der Vergangenheit zu huldigen.
Davon zeugt der ausgedehnte Fotomodus «Spheres», bei dem ich meine erspielten Autos rund um die Welt in echten Fotografien platzieren kann. Dank Raytracing und diverser Filter verschwimmen Realität und virtuelle Welt. Über 2500 dieser Szenen hat das Entwicklerstudio im Spiel integriert.
Zurück in die Zukunft
Die Konsequenz, mit welcher «Gran Turismo 7» die 25-jährige Formel ins Jahr 2022 überträgt, ist erschreckend. In den Menus ist fast alles noch so, wie es auf der Playstation 1 war. In einer virtuellen Stadt navigierst du Locations an, wo du Autos kaufen, aufrüsten, fotografieren oder mit ihnen an Online- oder Offline-Rennen teilnehmen kannst. Eine höchst sperrige und verschachtelte Benutzeroberfläche, die selten Sinn ergibt. So kann ich Spoiler nicht im Tuning Shop montieren, sondern bei GT Auto, wo ich Felgen kaufe, mein Auto wasche oder das Öl wechsle. Neue Autos kaufe ich im Autohaus. Ältere Autos beim Occasionshändler, wo immer wieder andere Modelle zu finden sind. Wo genau welches Auto zu finden ist, ist teilweise Glückssache. Weil das nicht alles am gleichen Ort ist, muss ich beim Autokauf wieder auf die Karte zurück, den neuen Ort anwählen und mich dort durch Untermenus klicken.
Zur grossen Verwirrung gibt es zusätzlich einen Raritätenhändler. Das Angebot an Raritäten und Occasionen ist dabei nicht immer dasselbe, was im echten Leben wohl Sinn ergeben mag. In einem Game ist das aber umständlich, weil bestimmt nie das Modell feilgeboten wird, das ich gerade fahren will. Sogar der Multiplayer-Modus findet sich an zwei Orten, einmal bei Multiplayer und einmal bei GT Sport, wo ich online die Rangliste hochklettern kann. Trotzdem – oder genau deswegen – fühle ich mich bei «Gran Turismo 7» direkt zuhause. Alles ist so, wie es vor 25 Jahren schon in meinem Kinderzimmer über den Röhrenbildschirm flimmerte. Nur halt in Hochglanz und 4K. Jedem anderen Spiel würde ich das umständliche Menu und den verwirrenden Aufbau ankreiden. Hier muss das aber so sein.
Rückschritt durch Technik
Natürlich ist die aktuelle Version viel umfangreicher als vor einem Vierteljahrhundert. Über 400 Autos, 34 Locations und fast 100 Strecken sind im Spiel vertreten und wollen freigeschaltet werden. GT7 schenkt dir nämlich nichts, ausser eine Handvoll Credits, die du in einen japanischen Kompaktwagen beim Occasionshändler investieren kannst. Damit startest du deine Karriere.
Neue Strecken gibt dir das Spiel nur dann frei, wenn du gewisse Missionen erfüllst, die du (warum auch immer) in einem Café von einem netten Herrn zugesteckt bekommst. Da heisst es dann zum Beispiel «Schalte drei US Muscle-Cars frei», sonst geht es nicht weiter. Wenigstens sagt dir das Spiel, bei welchen Events du die Ami-Karrossen gewinnen kannst. Während dich Spiele wie «Forza Motorsport» direkt in den Schalensitz einer Superbolide buxieren, führt dich GT7 ganz sachte an die Sache heran. Mit Preisen jenseits der Millionen sind Lamborghini, Porsche oder Ford GT 40 zu Beginn weit entfernte Traumautos. Zunächst musst du dir mit VW Golf, Mazda Demio oder Renault Clio die Sporen abverdienen. Das braucht viel Geduld, macht aber unheimlich Spass. Ich hätte mir nie im Leben einen virtuellen Ford Mustang gekauft, musste das aber für eine Rennserie tun. Das heckangetriebene Monster hat dann doch unheimlich Spass gemacht.
Apropos Geduld: Auch die Lizenzprüfungen sind zurück. Diese Fahrprüfungen musst du absolvieren, um im Spiel fortzuschreiten. Die Aufgaben reichen von «Bremse zum richtigen Zeitpunkt» bis zu «Fahre eine Runde auf dieser Strecke unter einer gewissen Zeit». Dabei gibt es Wertungen in Bronze, Silber oder Gold, wobei dir Gratisautos winken, wenn du alle Prüfungen mit Gold abschliesst. Das war bei Gran Turismo schon immer so. Die Bronze-Prüfungen sind so einfach, dass du dir die Zähne kaum daran ausbeissen wirst. Bei früheren Versionen war das teilweise schwieriger. Um sämtliche Lizenzen zu vergolden, brauchst du Dutzende Stunden. Wer nicht masochistisch veranlagt ist wie ich, lässt das bleiben.
Drive my car
Zugegeben, ich habe erst ein paar Stunden in Gran Turismo verbracht und das bisher nur mit dem Controller. Das fühlt sich dank der adaptiven Trigger sehr gut an. Ich merke sofort, wenn mir das Heck ausbricht oder die Räder blockieren. Hier lässt der Dual Sense Controller seine Muskeln spielen. Generell ist das Fahrgefühl auf der realistischen Seite, jedoch ohne Simulationen wie Assetto Corsa oder iRacing Konkurrenz zu machen. Die Autos neigen etwas zum Untersteuern, was sich später mit Tuning und Einstellungen beheben lässt. Hier bietet Gran Turismo nämlich wieder alle erdenklichen Möglichkeiten, an deinem Auto herumzuschrauben und bleibt sich auch beim Aufmöbeln treu.
Während du bei «Forza» einfach einen Knopf drückst und dein Auto automatisch aufs nächsthöhere Level aufmotzt, ist bei GT7 Handarbeit gefragt. Jedes Teil hat Auswirkung darauf, wie gut dein Auto eingestuft wird. Anhand der sogenannten Performance Points kannst du dann einschätzen, ob du überhaupt eine Chance im nächsten Rennen hast. Mein Tipp: Kauf dir immer zuerst bessere Reifen und bessere Bremsen und kümmere dich danach um die Power des Boliden.
Dann ist da noch so viel mehr, was ich noch gar nicht getestet habe: Kreative Köpfe können sich im umfangreichen Editor am Lack der Autos zu schaffen machen, Challenges bieten Abwechslung vom Rennalltag, der Online-Modus lockt mit diversen Ligen und in der «Music Rally» fährst du gegen die Zeit zu einem Song und holst dir durch Überholen wertvolle Zusatzsekunden.
Erstes Fazit
«Gran Turismo 7» zeichnet sich nicht durch das aus, was es an neuen Features bietet, sondern dadurch, dass es diese nicht bietet. Sämtliche Rennspiel-Trends der letzten Jahre haben die Japaner links liegen gelassen. Es gibt keine Rewind-Funktion, die dir bei einem Fahrfehler den Hintern rettet. Du kannst nicht nach ein paar Stunden schon mit einem 1000 PS Monster deine Gegner versagen. Qualifying gibt es (soweit ich das beurteilen kann) auch nicht, du startest immer zuhinterst. Geschenkt wird dir nichts, es sei denn, du kaufst dir mit Microtransactions Credits. Gran Turismo ist, als ob ich das fertig eingeklebte Paniniheft von 1998 noch einmal in der Hand halten würde. Es ist zwar komplett, die Seiten aber sind speckig und es hat ein paar Eselsohren. Das ändert nichts an den Emotionen, die das Game in mir weckt. Gran Turismo Fans können sofort zuschlagen. Alle anderen auch, auch wenn die Navigation am Anfang gewöhnungsbedürftig ist. Ich werde in den nächsten Jahren immer wieder gerne zu «Gran Turismo» zurückkehren.
Playground Session
Am 26. März kannst du in «Gran Turismo 7» um tolle Preise fahren, unter anderem gibt es für den ersten Platz ein Lenkrad von Logitech.
Preise
- Platz: 200 CHF digitec Gutschein & Logitech G G923 Trueforce for PC and PlayStation
- Platz: 150 CHF digitec Gutschein
- Platz: 100 CHF digitec Gutschein
Anmeldung
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.