
«Death Stranding» verwandelt die nervigsten Game-Klischees in ein packendes Erlebnis

Was passiert, wenn der Macher der «Metal Gear»-Reihe völlige kreative Freiheit bekommt? Ein Spiel, in dem ein glorifizierter Pöstler Blutgranaten aus Urin verschiesst und sich mit Walen aus Teer herumschlägt.
An «Death Stranding» scheiden sich die Geister. Die einen finden es ein Meisterwerk, andere tun es als prätentiöses Pöstlerspiel eines grössenwahnsinnigen Game Designers ab. Dieser Designer ist kein anderer als Hideo Kojima. Am besten bekannt für die «Metal Gear»-Reihe. Nach seiner unschönen Trennung von Publisher Konami wurde er von Sony mit offenen Armen empfangen. Dort soll er einen Blanko-Scheck erhalten haben, um seine nächste kreative Vision umzusetzen. Das Resultat ist «Death Stranding». Ein Spiel, in dem du ein Baby in einem Glasbehälter mit dir rumschleppst, Monster-Energy-Drinks aus Flüssen trinkst und als Post austragender Packesel Likes sammelst.
Die Post verbindet

Aber beginnen wir von vorne. «Death Stranding» spielt in naher Zukunft. Die Welt ist mal wieder durch eine Katastrophe zusammengebrochen. Du bist Sam Porter Bridges (Norman Reedus). Dein Job: Die überlebenden und zersplitterten Zivilisationen wieder zusammenführen, in dem du sie ans Kommunikationsnetz Chiral Network anbindest. Das machst du, indem du Lieferungen quer durch die USA schleppst. Läppische 120 Kilogramm kannst du als Sam anfangs buckeln. Den Auftrag dazu erhältst du von seiner Schwester Amelie. Sie soll die neue Präsidentin werden, wird aber aktuell von einer Terror-Gruppe festgehalten. Sie kann aber trotzdem via Holo-Telefon mit dir kommunizieren. Gleichzeitig mischt aber auch der Mega-Konzern Bridges mit. Das Postunternehmen ist der eigentliche Herrscher über das Land, und der Chef von Bridges heisst Die Hardman. Weil er ein Mann ist, der schwer zu töten ist. Subtil.
Die Lieferaufträge machen den Hauptteil des Spiels aus und fühlen sich an, wie überfüllte Papier-Einkaufstaschen zu Fuss nach Hause zu schleppen – du packst dich mit so vielen Ladungen zu, wie du tragen kannst und machst dich auf den Weg. Je mehr du schleppst, desto schwieriger ist es, Sam zu steuern. Und da du dich meist durch eine Berglandschaft, die stark an Island erinnert, bewegst, musst du gut aufpassen, nicht zu stolpern. Für bessere Balance kannst du deine Ladung unterschiedlich packen.

Gemeinsam alleine
Deine Reisen werden zusätzlich erschwert durch Banditen, Regen, der sich Timefall nennt und deine Lieferung beschädigt, unweges Gelände, das du mit ausfahrbaren Leitern umgehen kannst und den BTs. BTs sind Monster, die eigentlich unsichtbar sind. Weil Sam aber ein Baby in einem Glasbehälter mit sich rumschleppt, kann er die Monster sehen. Bist du zu laut oder zu nah an den BTs, schwemmt es Teer unter deine Füsse und schwarze Hände versuchen dich unter Wasser zu ziehen. Kannst du sie nicht abschütteln, landest du in der Welt namens Seam. Dort greifen sich fliegende Wale an. Du kannst aber zurück zu deinem Körper schwimmen und dann geht das Spiel weiter. Stirbst du, kommt es zu einer riesigen Explosion, die einen unüberbrückbaren Krater hinterlässt.
Ja, das spielt sich genauso seltsam, wie’s klingt.
Eine Besonderheit des Spiels ist der Online-Aspekt. «Death Stranding» ist zwar ein Singleplayer-Spiel, aber andere Spieler können deine Welt beeinflussen und umgekehrt. Du kannst nämlich Leitern, Brücken, Wachtürme oder Fahrzeuge bauen, die dann in den Spielen anderer Personen auftauchen. Du kannst sogar gemeinsam an Projekten arbeiten und Bauten aufrüsten. Ich hab schon oft verzweifelt meinen Weg durch die Ödnis gesucht, als unverhofft ein Seil eine steile Felswand hinaufführte. Dafür kann ich Likes verteilen. Likes gibt es für Lieferungen von NPCs und von anderen Spielern für Dinge, die du in die Welt stellst. Likes helfen dir beim Aufleveln von Sam.

Ich bin noch längst nicht durch mit «Death Stranding». Bei einer Spiellänge von 40 bis 60 Stunden dürfte das noch etwas dauern. Auch habe ich längst nicht alle Elemente des Spiels aufgezählt. Am zentralen Spielprinzip ändert sich aber nicht mehr viel. Du wirst also sehr früh merken, ob «Death Stranding» was für dich ist oder nicht. Mir dürfte es eigentlich nicht gefallen. Normalerweise hasse ich die Dinge, die in «Death Stranding» im Zentrum stehen. Fetch Quests, also Quests, wo du bloss irgendwo hinläufst, um was abzuholen, Inventar-Management und Back Tracking, also an die gleichen Orte zurück laufen. Und doch sorgt die karge, aber traumhaft schöne Welt zusammen mit dem stimmigen Soundtrack dafür, dass ich immer wieder zu «Death Stranding» zurückkehre. Einen massgeblichen Beitrag dazu leistet auch die Story, die wie alles an diesem Spiel herrlich schräg und bescheuert ist.
«Death Stranding» ist ein Spiel, das du erlebt haben solltest, aber es ist auch ein Spiel, das sich nicht leicht empfehlen lässt. Vielleicht hilft dir unser Let’s Play herauszufinden, auf welcher Seite du stehst.
«Death Stranding» ist erhältlich für PS4 und erscheint 2020 für PC.


Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.