
Hintergrund
Klick, Klack, Enter: Ich baue meine erste Tastatur zusammen
von Michelle Brändle
Bisher schreibe ich auf einer gewöhnlichen Logitech-Tastatur. Die Corsair K100 Air sollte mein Einstieg in die Welt der mechanischen Keyboards werden. Im Test versagt sie jedoch.
Mechanische Tastaturen sind unter Nerds quasi Pflicht. Du baust eigene PCs und kaufst dazu eine Logitech für 50 Franken? Du zockst ernsthaft, ohne dass es «KLACKLACKLACK» macht? Wie kannst du es wagen! Abschätzige Blicke von Connaisseurs sind dir gewiss. Auf der Redaktion von Digitec Galaxus versucht Tastatur-Missionar Kevin Hofer so viele Schäfchen wie möglich für seine Sekte zu gewinnen. Oft mit Erfolg.
Doch an mir beisst er sich die Zähne aus. Nicht weil ich aus Trotz ungläubig wäre – ich verstehe den Reiz von mechanischen, hochwertigen, langlebigen Dingen. Ich bin der Typ, der lieber etwas Teures kauft, als dreimal etwas Unbefriedigendes für weniger Geld. Den Hype um mechanische Tastaturen verstand ich aber nie. Ich mag flache Tastaturen, die in der Regel nicht mechanisch sind. Aktuell liegt in meinem Büro eine Logitech MX Keys, mit der ich sehr zufrieden bin. Sowas bezeichnen Kenner wie mein Redaktionskollege als «Kaugummitastatur».
In jüngster Zeit gibt es aber immer mehr dünne Tippgeräte, die trotzdem mechanisch sind. Eine davon ist die fast 300 Franken oder Euro teure Gaming-Tastatur Corsair K100 Air – mit taktilen Switches von Cherry und RGB-Beleuchtung. Sie sieht meiner Logitech so ähnlich, dass ich schwach werde, als Kevin mit einem Testexemplar wedelt. Ich nehme sie mit nach Hause, um zu sehen, ob sie für «Flachler» wie mich als Einstiegsdroge taugt.
Die K100 ist eine Tastatur in voller Grösse, also mit Nummernblock. Das Spezielle sind ihre Abmessungen. Vorne, am dünnsten Punkt, ist das Gehäuse lediglich elf Millimeter dick, hinten sind es 17. Die Schale besteht aus Kunststoff, die Oberseite aus gebürstetem Metall. Das sieht edel aus. Farblich ist alles in Schwarz gehalten.
Die Keycaps sind fett beschriftet und von unten beleuchtet. Die kantige Schriftart, die in Grossbuchstaben gehalten ist, passt zum restlichen Design. Die Oberseite der Tasten ist leicht konvex, damit ich blind spüre, wo die Mitte ist. Das trägt auch dazu bei, dass meine Finger weniger schnell abrutschen, wenn sie mal nicht im 90-Grad-Winkel auftreffen. Lichtfarbe und -effekte der Tasten lassen sich in der Software einstellen. Austauschen kann ich die Keycaps nicht. Corsair warnt, sie könnten beim Lösen abbrechen.
Oben in der Mitte sind kleine LED verbaut, die Akkustand, Verbindungstyp und weiteres anzeigen. Die Hochglanz-Abdeckung inmitten der sonst matten Oberfläche ist mir ein Dorn im Auge. Auch die kleine Walze rechts oben, mit der ich die Lautstärke verändern kann, halte ich für sinnlose Spielerei. Sie hat mir zu wenig Widerstand und ich hätte lieber Knöpfe für «leiser» und «lauter». Von diesen Details abgesehen gefällt mir das schlichte Design gut. Auch an der Verarbeitung habe ich nichts auszusetzen.
Auf der Unterseite kann ich Klappfüsse in zwei Grössen aufstellen. Da ich gerne einen schrägen Winkel habe, nehme ich die höhere Stufe. Zum Lieferumfang gehört ein USB-C- auf USB-A-Kabel und ein Wireless-Dongle, der sich hinten im Gehäuse verstauen lässt. Die K100 Air lässt sich kabellos betreiben – über Corsairs 2,4-GHz-Funkverbindung namens «Slipstream» oder via Bluetooth 4.2. Über die hinten verbaute USB-C-Schnittstelle kann ich sie auch per Kabel anschliessen und aufladen.
Trotz der flachen Bauweise hat die Corsair-Tastatur mechanische Switches. Genauer gesagt handelt es sich um die Cherry MX Ultra Low Profile Tactile. Sie haben eine horizontal verbaute Feder, die sich beim Tastendruck auseinanderzieht. Entwickelt wurden sie hauptsächlich für mechanische Laptop-Tastaturen.
So wie Kevins Augen leuchten, wenn er über mechanische Tastaturen spricht, erwarte ich eine Erleuchtung, als ich das erste Mal in die Tasten haue. Meine bisherige Logitech MX Keys hat hundskommune, nicht-mechanische Scissor Switches. Mechanische Switches sollen sich angeblich «viel besser» anfühlen.
Nein.
Zumindest nicht für mich, zumindest nicht jene der K100 Wireless. Ich habe gehofft, dass mir durch ihr flaches Design die Umstellung von meiner Laptop-ähnlichen Logitech-Tastatur leicht fällt. Und tatsächlich treffe ich die Tasten bei Corsair auf Anhieb. Bloss: Ich verstehe nicht, was sich daran besser anfühlen soll. Ganz im Gegenteil. Mir fällt vor allem negativ auf, dass ich viel Kraft brauche – und zwar vom ersten Augenblick des Tastendrucks an. So gibt es zwei Zustände: nicht gedrückt oder komplett durchgedrückt.
Das liegt wohl an der Konstruktion der Ultra Low Switches. Der gesamte Hub ist nur 1,8 Millimeter gross. Der Vorlauf bis zum Druckpunkt beträgt zwar 0,8 Millimeter, doch die Kurve für die nötige Druckkraft schiesst gemäss Messungen von Rtings.com auf den ersten 0,1 Millimetern fast vertikal nach oben. Gefühlt gibt es deshalb überhaupt keinen Vorlauf.
Cherry gibt die Betätigungskraft der Switches mit 65 Gramm an. Das ist kaum mehr, als ich es mir von meiner «Kaugummitastatur» gewohnt bin. Dort braucht es 60 Gramm. Weil die Druckkraft-Kurve aber weniger schnell ansteigt, fühlt sich der Unterschied in der Praxis viel grösser an. Während ich mit meiner Logitech eher sanft tippe, knalle ich bei der Corsair meine Finger automatisch mit Anlauf auf die Tasten. Das finde ich erstens ermüdend und zweitens fühlt es sich nicht gut an. Keine Spur von Erleuchtung. Mir gefällt immerhin das Klack-Geräusch beim Tippen.
Das ändert nichts daran, dass ich unter dem Strich nicht gerne mit der K100 Air schreibe. Fürs Zocken gefällt sie mir noch weniger. Meine Hand befindet sich hier meist in der gleichen Position und die Finger ruhen auf den Tasten, die sie im richtigen Moment drücken sollen. Anlauf holen ist anders als beim Schreiben kein natürlicher Teil dieser Bewegung – und ohne fallen der fehlende Vorlauf und der harte Anschlag der Tasten noch mehr auf. Darunter leiden sowohl Reaktionszeit als auch Präzision.
Mit Corsairs Tool «iCUE» kann ich verschiedene Dinge an der K100 Air verändern. Zum Beispiel die Belegung der vier frei konfigurierbaren Makro-Tasten über dem Nummernblock. Für die Hintergrundbeleuchtung lassen sich verschiedene Lichtmuster und Farben einstellen. Dabei kann ich zwischen animierter und statischer Beleuchtung wählen. Mit «Ripple» breitet sich etwa ein Lichtimpuls von der Taste her aus, die ich zuletzt gedrückt habe. Alles nett, aber am Ende habe ich lieber eine gleichbleibende Beleuchtung. Am Tag schalte ich sie sogar komplett aus.
Solche Einstellungen vorzunehmen ist umständlich. Corsairs Software ist ein Graus – die Bedienung ist nicht intuitiv und das Programm frisst jede Menge Ressourcen. Entpackt ist es über 3 Gigabyte gross, im Betrieb braucht es unter Windows fast 500 Megabyte Arbeitsspeicher. Völlig inakzeptabel für ein Hilfsprogramm. Zum Glück kann ich die Einstellungen hardwareseitig in der Tastatur speichern und das Tool danach wieder beenden.
Ohne Kabel soll die K100 Air bis zu 200 Stunden durchhalten. Wenn du die Beleuchtung einschaltest, sind es immerhin 50 Stunden. Selber systematisch getestet habe ich das nicht, nach einer Arbeitswoche mit ungefähr 40 Stunden ohne Beleuchtung ist mein Akku noch fast voll.
Die Corsair K100 Air lässt mich unbeeindruckt zurück. Das Tippgefühl empfinde ich als schlechter, als mit meiner nicht-mechanischen «Kaugummitastatur» von Logitech. Mich nervt der harte Anschlag der Tasten. Ich muss die Finger mit Anlauf auf die Tasten knallen. Das mag ich beim Schreiben nicht und beim Gamen noch weniger. Dazu verschlechtert Corsairs umständliche iCUE-Software meinen Gesamteindruck noch mehr.
Und dann ist da noch der Preis: Fast 300 Franken oder Euro für eine Tastatur ab Stange – mit fest verbauten Keycaps und Switches. Keine Chance, etwas davon auszutauschen, wenn es sich abnutzt oder kaputtgeht. Selbst wenn ich das schöne Design und die solide Verarbeitung mit in Betracht ziehe: Das ist zu teuer.
So bleibe ich bei meinem Kaugummi. Versuch's weiter, Kevin …
Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.