«Chatkontrolle» kommt vorerst nicht – Abstimmung scheitert an deutschem «Nein»
Mehrere EU-Staaten möchten Inhalte in den Messenger-Apps ihrer Bürger präventiv überwachen lassen. Darüber hätte gestern im EU-Rat abgestimmt werden sollen. Weil eine Einigung aber unwahrscheinlich schien, wurde die Abstimmung auf unbestimmte Zeit verschoben.
Am 20. Juni hätte im Europäischen Rat über den Gesetzentwurf zur sogenannten Chatkontrolle abgestimmt werden sollen. Die belgische «Light-Version» des Gesetzes stand dabei seitens verschiedener Datenschutzinstitutionen, aber auch einiger EU-Mitgliedsländer, unter Beschuss. Dennoch wollte die Ratspräsidentschaft, die derzeit noch unter belgischem Vorsitz steht, noch in ihrer Amtszeit über das Papier befinden. Am 1. Juli geht die Ratspräsidentschaft für die nächsten sechs Monate an das Mitgliedsland Ungarn über.
Dieses Vorhaben ist allerdings vorerst gescheitert. Obwohl der ehemalige Gesetzes-Gegner Frankreich dem Vorhaben wegen einiger Kompromisse nun wohlwollender entgegensteht, hat die Ratspräsidentschaft die Abstimmung von der Tagesordnung gestrichen.
Grundsätzlich wird bei Ratsgeschäften nur über Themen befunden, bei denen man eine Befürworter-Mehrheit erwarten darf. Dies war bei der Chatkontrolle nicht der Fall. Insbesondere Deutschland hat in Person der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) seine Absicht, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen, deutlich kundgetan. Zudem haben insgesamt 36 Politiker und Politikerinnen jeglicher Couleur einen offenen Brief an die Mitgliedstaaten verfasst und an diese appelliert, gegen das Vorhaben zu stimmen.
Thema kommt wieder auf den Tisch
Gegessen ist das Thema damit allerdings nicht. Das Dossier wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter der ungarischen Ratspräsidentschaft weiterverfolgt. Ungarn gilt wie Belgien als Befürworter der Chatkontrolle. Die Frage ist also nicht ob, sondern wann die Chatkontrolle wieder zum Thema wird.
Hintergrund des Aufruhrs ist die von Kritikern bemängelte Unverhältnismässigkeit des Vorhabens. So möchte insbesondere die belgische Polizei erreichen, dass private Chatunterhaltungen in der Europäischen Union von Strafverfolgungsbehörden in Klartext eingesehen werden können – dies, um die Verbreitung kinderpornografischen Materials zu verhindern. Dies tangiere aber den Datenschutz und die Menschenrechte in der EU.
Auch die aktuelle, abgeschwächte Idee einer «ausschliesslichen» Kontrolle von Bild- und Videomaterial – ohne Text – geht Datenschützern zu weit. Die Nutzer und Nutzerinnen könnten diese Kontrolle zwar ablehnen, jedoch würde so die Funktion zum Versand von Bild- und Videomaterial gänzlich gesperrt.
Die Messenger-Anbieter Signal und Threema haben derweil bereits angekündigt, im Falle einer solchen Massnahme zu prüfen, ob sie ihre Produkte vom europäischen Markt nehmen wollen.
Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.