Produkttest

Apple Watch Series 4: Die Hui-Uhr im Review

Die neue Apple Watch kommt in 52 verschiedenen Ausführungen. Ich habe eine davon getestet. Obwohl ich zu den Leuten gehöre, die den Sinn von Smartwatches nicht so ganz sehen, hat mich Apples Uhr begeistert.

Es ist Donnerstagabend. Ich höre in meiner Wohnung die neue Herbst-Playlist von Spotify. Ein paar Sonnenstrahlen finden noch den Weg durchs Küchenfenster. Der nächste Song auf der Playlist gefällt mir gar nicht. Ich kann ihn mit einem Tipp auf mein Handgelenk einfach überspringen. Ein paar Augenblicke später vibriert die Watch leicht: Der Timer für meinen Birnenkuchen ist abgelaufen.

Etwa so sieht mein Alltag mit der Apple Watch Series 4 aus. Ich könnte alles vom Handgelenk aus regeln und mein Smartphone – das aus dem Hause Apple sein muss, um die Uhr zu nutzen – zuhause lassen.

Obwohl ich Smartwatches nicht besonders mag, muss ich sagen, dass die Watch wirklich gut aussieht. Mit dem schicken OLED-Display ist die Uhr ein Hingucker. Dabei ist vieles besser als bei anderen Smartwatches, aber ganz perfekt ist die Watch 4 auch nicht.

Die Apple Watch gibt’s in 52 Ausführungen. Es gibt verschiedene Armbänder, Versionen mit 4G, Versionen ohne 4G, solche mit Edelstahlgehäuse, solche mit Aluminum, die Nike+ Editionen, zwei verschiedene Grössen und so weiter. Unser Category Management hat mir eine der 4G-Versionen in die Hand gedrückt. Das heisst, ich kann mit diesem Modell telefonieren und Nachrichten versenden, während das iPhone ein paar Kilometer entfernt zuhause auf dem Küchentisch liegt.

Auch der Vorgänger der Watch 4 konnte bereits 4G. Ich finde es dennoch faszinierend – auf der Watch kriegst du alle Notifications, egal wo dein Phone ist. Dafür musste ich zuerst bei meinen Provider – ich bin bei Swisscom – eine eSIM aufschalten. Die kostet fünf Franken im Monat und ich könnte sie nach dreissig Tagen künden.

Das neue Watch Face

Die Aufschaltung der eSIM war dafür weniger faszinierend, sondern mit etwas Ärger verbunden. Zuerst musste ich mein Handy-Abo ändern, weil es nicht eSIM-kompatibel war. Dann war die Option zwar aktiv, baute aber keine Verbindung zur Watch auf. Gefühlte hundert Neustarts und Logins ins Swisscom Cockpit später hat’s dann auch bei mir funktioniert. An dieser Stelle gebe ich auch gleich zu: Ausser für diesen Test habe ich nicht mit der Watch telefoniert. Ich finde es nach wie vor komisch, mit einer Uhr zu sprechen. Aber in ein paar Jahren wird das bestimmt anders sein. Telefonieren mit Bluetooth-Kopfhörern und der Watch geht ganz gut, und ist eigentlich dasselbe, wie wenn du mit dem Phone und Kopfhörern telefonierst.

Die Uhr ist das Display

Die Apple Watch kommt in zwei neuen Grössen. Du hast die Wahl zwischen 44 mm und 40 mm. Ich habe die grössere Variante, die gerade noch auf mein eher schmales Handgelenk passt.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Smartwatches hat die Apple Watch keinen Rahmen und keine Einbuchtung. Die ganze Watch besteht aus Display mit schlichtem Rahmen. Der Rahmen kommt dabei nicht übers Display, sondern die Oberfläche ist ganz eben. Das macht mir auch nach längerer Zeit noch immer Freude. Bis zum Ende meines Tests hat bei mir das gehärtete Ion-X-Glas und der Aluminiumrahmen keinen einzigen Kratzer bekommen.

Die neuen Ziffernblätter können die Fläche fast bis ganz an den Rand ausnutzen. Das ist praktisch und sieht ebenfalls hübsch aus. Bei anderen Smartwatches habe ich öfters erlebt, dass die Apps nicht auf das Display abgestimmt waren – also Ränder hatten, oder rund statt eckig waren. Das habe ich bei Apples Watch bei keiner App gesehen.

Die Icons füllen das Display fast randlos aus

Mit einem Blick aufs Ziffernblatt sehe ich meine Aktivität des Tages mit konkreten Zahlen, anstehende Termine, das heutige Wetter inklusive UV-Index, das Datum, den Timer, und natürlich die Uhrzeit. So viele Informationen auf nur einer Ansicht finde ich bemerkenswert.

Die Neue vs die Alte

Die Apple Watch 4 ist im Gegensatz zur Vorgängerin grösser und knapp einen Millimeter dünner geworden. Damit ist sie die zweitdünnste Watch Apples. Das Original war noch so etwa einen halben Tick dünner. Dass die Watch grösser geworden ist, fällt etwas ins Gewicht: Meine 44 mm Version ist drei Gramm schwerer. Dennoch finde ich sie – insbesondere im Vergleich Smartwatches anderer Marken – sehr leicht. Ich konnte die Watch mit dem Sportarmband sogar zum Schlafen anlassen, ohne dass sie mich gestört hätte. Andere Uhren musste ich immer ausziehen.

Sie sieht auch ausgeschaltet gut aus

Durch das neue Display ist die Anzeige laut Apple um 30 Prozent grösser geworden. Das siehst du vor allem bei den neuen Watchfaces. Die zeigen acht, statt vorher vier verschiedene Informationen an. Die neuen Ziffernblätter sind dabei nur für die Watch 4 verfügbar.

Neu ist auch, dass das Mikrofon jetzt rechts vorne an der Uhr ist und dass die linke Seite etwa zur Hälfte aus Lautsprecherchen besteht. Beim Telefonieren war für mich die Qualität der Lautsprecher in Ordnung und die Person am anderen Ende der Leitung hat mich auch verstanden. Telefonieren geht auch ohne, dass du dir die Uhr vor die Nase halten musst.

Die digital Crown, also die Krone, an der du bei herkömmlichen Uhren die Zeit verstellst, sieht jetzt bei der 4G-Version nicht mehr aus wie die Nase eines Clowns sondern hat nur noch einen kleinen, roten Rand. Und sie gibt neu ein haptisches Feedback, das bemerkst du, wenn du am Rädchen drehst um zu Scrollen, oder beim Musikhören, um die Lautstärke zu verstellen. Durch das Feedback merkst du besser, wie weit du scrollen musst.

Die neue Krone
Die neue Krone
Die neuen Lautsprecherli
Die neuen Lautsprecherli

Am meisten hat Apple aber an der Stelle geändert, die du gar nicht siehst, wenn du die Uhr trägst. Denn an Unterseite gibt’s viel Neues: Die Watch hat einen elektrischen Herzsensor erhalten. In den USA könntest du damit bald ein EKG erstellen. Die Funktion ist aber nur von den Gesundheitsbehörden der USA genehmigt. Mit einer Elektrode auf der Unterseite und einer zweiten in der Krone soll das EKG tatsächlich am Handgelenk statt beim Arzt möglich sein.
Wann die Funktion in die Schweiz kommt, ist derzeit aber leider unbekannt.

Apple hat den Sensor zur Erkennung der Beschleunigung verbessert. Neu kann die Watch die 32-fache Erdbeschleunigung erkennen. Dadurch merkt die Watch, wenn der Träger zu Boden fällt. Das funktioniert natürlich nur, wenn du die Uhr an hast. Wenn du die Uhr nicht am Handgelenk trägst und sie zu Boden fällt, wird kein Sturzalarm ausgelöst. Und ja, ich habe den Sturz der Uhr ohne sie zu tragen ausprobiert und nein, mit der Uhr am Handgelenk habe keinen Sturz ausprobiert.

Wenn du länger als eine Minute reglos am Boden liegst, versendet die Watch einen Notruf mit deinem Standort. Die Funktion kann Leben retten. Besonders für ältere Personen wie etwa dein Grosi. Wenn es sich um einen Fehlalarmhandelt, kannst du den Notruf natürlich noch stoppen.

Für dein besseres du

Apple wirbt mit dem Slogan «Für dein besseres Ich». Apples Werbeslogans finde ich sonst ziemlich überrissen und übertriebenes Marketing-Gerede. Aber hier muss ich Apple zustimmen. Die Uhr macht mich in einem gewissen Sinne tatsächlich «besser». Denn die Watch erinnert dich, wenn du wieder stundenlang rumhockst, dass du dich mal bewegen sollst. Bei mir hat das funktioniert, die Uhr hat mich als faulen Sack dazu bewegt, mich zu bewegen. Auch bin ich mit der Watch viel besser organisiert. Termine, die du in deinem Kalender einträgst, erscheinen sofort auch auf der Watch, der neuste sogar auf dem Ziffernblatt. So habe ich es in der Testzeit wirklich geschafft, nichts zu vergessen.

Auch bringt die Watch Ruhe. Denn du kannst dein Handy die ganze Zeit auf stumm stellen, merkst aber dank dem leichten Vibrieren und der Anzeige wenn dich jemand anruft oder du eine Nachricht erhältst. Die Nachrichten erscheinen immer zeitgleich auf der Watch wie auf dem Phone. Verzögerungen gab es bei mir nicht. Und das Display reagiert auf die kleinsten Berührungen. Im Home Screen triffst du die kleinen Icons. Du kannst mit der App auch kurz auf Nachrichten antworten. Lange Antworten sind aber zu mühsam.

Mit der Watch bin ich insgesamt viel weniger am Handy, und schaue einfach ab und an aufs Handgelenk.

Mit den Aktivitätsringen zeigt dir die App auf der Watch oder auf dem Phone genau an, was für ein fauler Sack du bist – oder lobt dich, wenn du dich genug bewegt hast. Du kannst dir auch ganz einfach und schnell Bewegungsziele setzen und die Uhr zeigt dir dann am Ende des Tages, ob du die erreicht hast.

Drei Ringe für Apple

Joggen mit der Watch

Joggen gehen mit der Watch ist natürlich super, da ich mein Phone dank der eSIM sowieso zuhause lassen kann. Auch wenn du zum Beispiel Schwimmen gehst, kannst du dein Phone einfach zuhause lassen. Mit der LTE Verbindung hielt der Akku bei mir knapp vier Stunden durch. Geladen ist die Uhr recht schnell, in anderthalb Stunden hast du schon 80 Prozent, womit du locker durch den Tag kommst.

Leider geht aber Spotify hören ohne Handy, nur mit der Watch, noch nicht. Apple verspricht aber, dass dies bald möglich sein soll, da die Schnittstellen für App-Anbieter mit WatchOS 5.0 geöffnet wurden. Ich habs noch via Spotify Webplayer versucht, das ging aber auch nicht und ich musste mit Apple Music rennen.

In der Trainingsapp kannst du dir einfach Ziele setzen

Sobald du losrennst, erkennt das die Watch und startet die Trainingsapp, sodass dir das bereits gestartete Training auch angerechnet wird. Wenn du aufhörst zu rennen, erinnert sie dich, das Training zu beenden.

Was mich erst etwas genervt hat: Pausen – also wenn ich an einer Ampel anhalten muss – werden nicht eingerechnet . Die Zeit läuft dann weiter und «verfälscht» so die Statistik. Allerdings kannst du dies in den allgemeinen Einstellungen unter Training anpassen. So stoppt die Uhr das Training, sobald du stoppst. Und das funktioniert zuverlässig.

Fast alles perfekt

Die Apple Watch 4 ist eine Hui-Uhr: Andere Smartwatches haben mich meistens schon beim Pairing genervt. Oder spätestens dann, wenn sie wieder mal aus unbekannten Gründen die Verbindung verloren haben und dann Nachrichten einfach nicht angezeigt werden. Das war bei Watch 4 anders. Das Pairing ist so einfach, das hätte auch meine vierjährige Cousine hingekriegt. Und die Verbindung zum Smartphone ist bei mir während der ganzen Testzeit nie abgebrochen. Apps sind schnell offen, und funktionieren zuverlässig. Und schick aussehen tut sie auch.

Dafür muss aber erwähnt werden, dass die Watch ein Vielfaches teurer ist als andere Smartwatches.

Wenn du sowieso mit einer Apple Watch liebäugelst, kann ich sie dir nur empfehlen. Hast du bereits eine neuere Smartwatch, kann sich das Upgrade für dich lohnen, wenn du dich sehr für deine Gesundheit interessierst und du mehr Informationen und kleine Detailverbesserungen möchtest.

Alles in allem ist die Apple Watch für mich ein Komplettpaket von Sport und Lifestyle, bei der du dich nicht für eines der beiden entscheiden musst. Die Watch ist in allen Bereich gut, hat aber auch ihren hohen Preis.

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Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival. 


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