Apple iOS 14.5: Privatsphäre für das moderne Internet
Hintergrund

Apple iOS 14.5: Privatsphäre für das moderne Internet

Apples jüngste Version des Betriebssystems für iPhones und iPads macht Werbe-Trackern den Garaus. Das sind gute Nachrichten für das Internet.

Apple hat am Mittwoch, 7. April, über die Privatsphäre im Internet informiert. Das als Konsequenz aus dem Streit mit den Betreibern von Social-Media-Plattformen und den von Apple als «Datenbroker» bezeichneten Akteuren im Internet. Der Grund für den Knatsch: Apple blockiert unter seinem Browser Safari, ab Version 14, alle Third Party Tracker.

Das klingt recht abstrakt, aber Third Party Tracker, zu denen die Cookies gehören, sind unverzichtbar für eine der Haupteinnahmequellen des Internets. Denn sie erlauben sogenannte Targeted Ads, also gezielte Werbung an Nutzerinnen und Nutzer, deren Interessen bekannt sind.

Aber damit noch nicht genug. Da Apple sich den Schutz der Privatsphäre gross aufs Banner geschrieben hat, geht der Konzern aus Cupertino noch einen Schritt weiter. Ab Apple iOS 14.5 muss eine App dich spezifisch danach fragen, wenn sie deine Aktivität über die App-Grenzen hinweg tracken will.

Targeted Ads: Die bessere Werbung im Internet

Hast du dich schon mal gefragt, warum Facebook oder Instagram dir Werbung anzeigt für Dinge, die du vorher auf einer anderen Website angesehen hast? Oder du liest eine News zum neuen iPhone und schwuppdiwupp zeigt dir Instagram einen Deal für ein vergünstigtes iPhone an.

Woher weiss Instagram das? Und warum taucht dann dieselbe Werbung auf einmal auf Facebook auf? Und dann auch noch auf der Website der Zeitung, die du gerade liest?

Die stark vereinfachte Antwort: Tracker. Es gibt Dinge, die verfolgen dich durch das Internet, lernen deine Interessen kennen und übermitteln diese an alle, die dafür zahlen. Sprich: Digitec Galaxus könnte, wenn wir denn wollten, eine Werbung auf Instagram ausspielen, die allen Frauen aus den Kantonen Aargau und Wallis ein roségoldenes iPhone anzeigt. Dies, weil wir in diesem rein theoretischen Szenario entdeckt haben, dass Frauen roségoldene iPhones mögen und im Aargau wie im Wallis vergleichsweise wenig iPhones verkauft werden in Relation zu den Aufrufen des Angebots im Shop. Das, was du dann siehst, ist ein Targeted Ad, eine gezielte Anzeige passend zu deinen vermuteten Interessen.

Old School, aber überall: Plakate
Old School, aber überall: Plakate
Quelle: Thomas Kunz

Als Werber ist das natürlich interessant. Wo eine Plakatkampagne einfach mal die breite Masse beglückt und darauf hofft, dass die richtigen Leute das schon sehen werden, können Targeted Ads viel genauer ausgespielt werden. Männer aus St. Gallen sehen die neue PlayStation, Frauen aus dem Aargau das iPhone. So stellt die Werbeindustrie sicher, dass das Werbebudget möglichst nicht verschwendet wird, die Streuverluste klein bleiben.

Jedes Mal, wenn die Werbung angezeigt und angesehen wird, dann spricht man von einer «Impression». Für eine Impression musst du als User nicht einmal draufklicken. Das wäre dann ein «Click». Wenn am Schluss jemand etwas aufgrund der Werbung kauft, dann ist das eine «Conversion». Auf einem Plakat hast du vielleicht eine Million Impressions pro Tag, aber wie viele davon sind tatsächlich Conversions?

Conversions sind das Ziel, Impressions ein Mittel zum Zweck. Conversions können nur schwierig kontrolliert werden, Impressions hingegen recht präzise. Daher: Wenn ein Werber Geld sparen will, dann kauft er sich eine Million Impressions für eine bestimmte Zielgruppe, und nicht einfach nur alle und jeden. Meist aber braucht eine Werbung im Web gar keine so grosse Zahl Impressions, denn es klappt dank Ad Targeting mit weniger. Das ist günstiger. Und auch für den Endnutzer attraktiver, denn du bekommst als iPhone-Enthusiastin keine Werbung für den neuen Ford Kuga inklusive Leasing-Angebot angezeigt, was dich überhaupt nicht interessiert.

Das Problem sind aber die Tracker. Meint zumindest Apple. Und so ziemlich jeder, der sich für Privatsphäre im Internet interessiert, stimmt dem zu. Denn damit ein «Datenbroker» herausfindet, dass die Frauen im Aargau sich für iPhones interessieren, muss er erst einmal eine Datenbasis haben. Diese erarbeitet er sich mit Tracking Cookies. Jedes Mal, wenn sich eine Aargauerin ein iPhone ansieht, dann weiss das ein Cookie. Und wir sprechen noch nicht mal von Sachen wie Facebook, die jeden deiner Likes und deiner Interessen an Werber verkauft.

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Jedes Fitzelchen Daten, das ein Datenbroker aufzeichnen kann, wird aufgezeichnet und zu Marketingzwecken ausgeschlachtet.

Kurz: Wenn du im Internet für etwas nicht bezahlst, dann bist du nicht der Kunde. Du bist das Produkt, das verkauft wird.

Genau darauf hat Apple keinen Bock mehr und würgt unter Safari 14 und iOS 14.5 diesen Mechanismus so weit wie möglich ab. Das gefällt der Werbeindustrie und Facebook im Speziellen nicht. Denn Facebook fürchtet um 86 Milliarden Dollar Einnahmen pro Jahr. Und um ihr Geschäftsmodell.

Apple gibt dir die Wahl

Schon seit Ewigkeiten ist Apple Advokat für die Privatsphäre. An der CES in Las Vegas hat ein Plakat an einer Hotelwand über der Stadt geprangt, das alle daran erinnert hat, dass das iPhone das Gerät schlechthin für deine Privatsphäre ist.

Die Privatsphäre ist Apple sogar so wichtig, dass der Konzern sich an der CES in Las Vegas die Ehre gegeben hat und an einer Panel-Diskussion teilgenommen hat. An besagter Diskussion war auch Facebook zugegen.

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Apple will nicht, dass Apps und Websites keine Daten sammeln dürfen. Apple ist aber der Überzeugung, dass diese Daten nicht ohne Weiteres an Dritte weitergegeben werden sollen. Vor allem dann nicht, wenn diese Daten dazu gebraucht und auch benutzt werden, ein Profil deiner Identität zu erstellen.

Apple will allerdings nicht die Werbeindustrie zerstören. Apps und Websites haben nach wie vor die Möglichkeit, deine Daten an einen Datenbroker zu verkaufen. Aber nur, wenn du dem zustimmst. Also so explizit und nicht einfach mit dem Download einer App oder dem Aufruf einer Website.

App Tracking soll nicht mehr unsichtbar passieren.

Darum sieht der Schutz der Privatsphäre bei Apple im Moment so auch, dass du eine Meldung angezeigt bekommst, die dich fragt, ob du deine Daten weitergeben willst.

Die Meldung unter Apple iOS
Die Meldung unter Apple iOS

Noch.

Denn Apple hat Pläne. App Tracking Transparency, wie Apple das nennt, ist nur der Anfang.

App Tracking Transparency für Endnutzer

Mit der Tracking-Einstellung in iOS 14.5 wird Nutzern ein mächtiges Werkzeug in die Hand gegeben, das erstaunlich einfach zu bedienen ist. Du kannst im Wesentlichen zwei Dinge tunt: Entweder du klickst auf «Ask App not to Track» in der Frage, oder du machst den Opt-Out in den Settings.

In einem recht mutigen Move hat Apple auf deinem iPhone und deinem iPad eine Einstellung hinterlegt, das die Frage generell beantwortet. Sprich: Wenn eine App fragt, dann beantwortet dein iPhone die Frage, ohne dass du den Dialog siehst. Und zwar mit der Antwort «Nein».

  1. Geh in die Einstellungen deines iPhones nach dem Update auf 14.5
  2. Scrolle runter zu «Privacy»
  3. Drücke auf «Tracking»
  4. Schiebe den Regler bei der Frage «Allow Apps to Request to Track» auf «Aus»

Im selben Menü siehst du auch, welche Apps dich tracken wollen und welchen du die Erlaubnis dazu gegeben hast.

Wenn du einer App die Erlaubnis gibst, deine Daten zu tracken und diese Tracking-Daten auch weiterzugeben, dann werden diese in Form einer Identity for Advertisers (IDFA) weitergegeben.

IDFA und SKAdNetwork: Werbung neu definiert für Werber

Apple aber, das ist dem Konzern wichtig, will den Werbemarkt nicht behindern oder gar eliminieren. Das war den Repräsentanten des Unternehmens am Call mit ausgewählten Journalisten wichtig. Vielmehr will Apple Werber wissen lassen, dass sie nach wie vor an die heissbegehrten Daten kommen, das aber nicht mehr ganz so einfach ist wie bisher. Vor allem aber: So viele Daten wie bisher gibt es nicht mehr.

Sobald eine App deine IDFA weitergeben will, muss die App danach fragen. Oder nicht, wenn du die Möglichkeit zum dauerhaften Opt-out genutzt hast. Der Opt-out hat übrigens einen weit grösseren Effekt als den Schutz der IDFA vor dem Zugriff durch die Werbeindustrie. Die Phrase «Ask App not to Track» verbietet es der App zudem noch, dass sie irgendwelche anderen Tracking-Mechanismen anwendet. Oder soll es verhindern. Denn, das gibt Apple freilich zu, Werber sind kreativ und Daten sind wertvoll. Daher werde man bei Apple ein scharfes Auge auf Werber haben und Apps dahingehend stark moderieren.

Wenn Werber nach wie vor Daten von Apple beziehen wollen, dann geht das mit dem Apple'schen SKAdNetwork. Das macht, vereinfacht gesagt, nichts anderes als Impressions und Clicks auf App-Ebene an Werber weiterzugeben, aber ohne irgendwelche auf Personen oder Geräte bezogenen Daten weiterzureichen. Apple gibt zwar zu, dass sie diese Daten kennen könnten, sie aber nicht von grosser Bedeutung für die Firma seien.

Altes Risiko weg, neues Risiko da

Mit der Verbesserung der IDFA, dem SKAdNetwork und den Einstellungen, die du als User vornehmen kannst, tut Apple der Welt einen echten Gefallen. Selten hast du so viel Macht und so viele Informationen über einen sonst unsichtbaren Teil des Internets erhalten, der dich direkt betrifft.

Aber. Natürlich kommt hier ein Aber. So sehr ich Apple glauben möchte, dass sie nicht nur verdammt gute Hardware und Software machen, sondern auch noch verdammt nette Leutchen sind, ich kann es irgendwie einfach nicht. Das hat nichts mit «Buuuh, Apple blöd» zu tun. Im Gegenteil: Es hat damit zu tun, dass Apple zu gut klingt, um die Privatsphärerettung im Alleingang durchziehen zu können.

Freilich, Apple ist die wertvollste Marke der Welt und hat mit einer dominanten Marktposition viel Marktmacht. Darum kann der Konzern einfach mal so Third Party Cookies abschiessen und Facebook den virtuellen Mittelfinger zeigen. Zugegeben, das ist einfach, denn Facebook hat sich in den vergangenen Jahren erfolgreich und ohne Gegenwehr zum Bad Guy des Internets machen lassen.

Aber. Apple ist nach wie vor ein Unternehmen, das Gewinn erzielen will. Und aktuell auch viel Gewinn erzielt. Daher ist es nett, wenn die Firma nett ist. Was aber passiert, wenn die Profite nicht mehr stimmen? Was geschieht dann mit den Daten, die das SKAdNetwork gesammelt hat und weiterhin Tag für Tag sammelt? Dann haben wir statt x Firmen, die mit Third Party Cookies unsere Daten abgreifen eine Firma, die mit dem SKAdNetwork all unsere Daten besitzt und verkauft. Wo wir vorher das Produkt für viele bis dahin verdrängte Datenbroker waren, sind wir dann das Produkt einer Firma.

Damit steht Apple längst nicht alleine da, wohlgemerkt. Drüben bei Google wird mit FLoC experimentiert, das sich zwar auf technologischer Ebene vom SKAdNetwork unterscheidet, aber in etwa auf dasselbe herausläuft.

Am heutigen Tag aber ist klar Apple der Held. Es sind «good news» aus Cupertino. Dass ich auch Schwarzmalerei betreibe – nun, ich kann nicht anders.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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