Kevin Hofer
Kritik

«Ambulance Life: A Paramedic Simulator» ist ein Fall für die Intensivstation

Kevin Hofer
11.2.2025

Für «Ambulance Life: A Paramedic Simulator» war ich voll gehypt. Leider trüben Bugs und mühseliges Gameplay den sonst hohen Anspruch an Authentizität.

Die Sirene heult. Mit meiner Ambulanz rase ich durch die vollgestopften Strassen von San Pelícano. Der angeschossene Polizist im Laderaum ist in akuter Lebensgefahr. Mir bleibt nicht viel Zeit, ihn ins Spital zu transportieren. Mein Herz schlägt rasend schnell, mit schwitzigen Hän…

Moment!

Gerne würde ich den szenischen Einstieg weiterschreiben, der ein packendes Gefühl von «Ambulance Life: A Paramedic Simulator» widerspiegelt. Leider hat das Game bei mir vor allem für Frust und Langeweile gesorgt – trotz realistischer Darstellung der Arbeit der Einsatzkräfte.

Menschen Retten in Los Angeles San Pelicano

Ich schlüpfe in die Rolle eines Sanitäters oder einer Sanitäterin. Meine Aufgabe: In Not geratene Menschen in der fiktiven US-Westküstenstadt San Pelicano retten. Zur Verfügung stehen mir meine komplett ausgerüstete Ambulanz und ein Partner oder eine Partnerin, die mir Tipps zur Behandlung geben.

Hallo Partner! Bei den Einsätzen steht mir immer jemand zur Seite.
Hallo Partner! Bei den Einsätzen steht mir immer jemand zur Seite.
Quelle: Kevin Hofer

Im Grunde genommen läuft dabei jeder Einsatz nach demselben Schema ab: Ich erhalte einen Notruf, lasse die Sirene heulen und fahre zum Ort des Geschehens. Dort analysiere ich die Situation und leiste erste Hilfe. Zur weiteren Behandlung fahre ich die zu behandelnde Person dann ins nächstgelegene Spital.

Hoher Detailgrad sorgt für Tiefe

Was oberflächlich betrachtet repetitiv und langweilig klingt, macht «Ambulance Life: A Paramedic Simulator» mit einer ordentlichen Prise Realismus wieder wett. So nutze ich eine Vielzahl medizinischer Ausrüstung, von Verbänden über Defibrillatoren bis zu diversen Diagnose-Geräten.

Neben medizinischen Geräten steht mir auch ein Tablet zur Diagnose und Spiel-Informationen zur Verfügung.
Neben medizinischen Geräten steht mir auch ein Tablet zur Diagnose und Spiel-Informationen zur Verfügung.
Quelle: Kevin Hofer

An meinem ersten Tag etwa rette ich eine Frau, die auf einem Parkplatz einen Hitzschlag erlitten hat. Zunächst mache ich eine Anamnese, um grob herauszufinden, was ihr fehlt. Danach laden mein Partner und ich sie auf die Trage und manövrieren sie in die Ambulanz zur weiteren Untersuchung. Hier schliesse ich sie an die Diagnosegeräte. Das ist cool, weil ich so erfahre, wie in medizinischen Notsituationen vorgegangen wird – ich vermute zumindest, dass es sich tatsächlich so zutragen könnte.

Dabei führt mich das Spiel langsam an diese heran, neue Möglichkeiten der Intervention erschliessen sich mir erst nach und nach. So bin ich zu Beginn nicht komplett überfordert. Für alle, die bereits wissen, wie’s läuft, steht neben diesem Story-ähnlichen Modus noch ein reiner Simulationsmodus zur Verfügung, wo du ins kalte Wasser geworfen wirst.

Über die Stadtkarte wähle ich die einzelnen Szenarien aus.
Über die Stadtkarte wähle ich die einzelnen Szenarien aus.
Quelle: Kevin Hofer

Bevor ich einen Tag im Leben meiner virtuellen Sanitäterin starte, wähle ich den Ort und die Art des Vorfalls aus. So stelle ich sicher, dass ich nicht bereits am zweiten Tag in einen komplexen Vorfall verwickelt werde – oder ich kann ihn bewusst wählen, da das im echten Leben ja auch passieren kann. Nach der Parkplatzrettung treffe ich am zweiten Einsatztag einen Radfahrer, der leicht gestürzt ist und erst am dritten Tag fahre ich einen angeschossenen Polizisten auf die Intensivstation. Das macht das Spiel weiter zugänglich.

Die Steuerung ist ein Graus

Grundsätzlich macht «Ambulance Life: A Paramedic Simulator» also vieles richtig. Leider hapert es bei der Ausführung. Die Steuerung ist einfach schlecht, egal, ob mit Maus und Tastatur oder Controller. Da sind einerseits die Menüs. Mit dem Controller ist deren Steuerung alles andere als intuitiv. Das geht mit der Maus besser, dafür ist mir die Navigation durch San Pelicano mit Tastatur und Maus ein Graus – ich mag es nicht, ein Fahrzeug mit der Tastatur zu steuern.

Die Navigation in den Menüs ist mit Controller mühsam.
Die Navigation in den Menüs ist mit Controller mühsam.
Quelle: Kevin Hofer

Damit nicht genug, stört das ständige Navigieren durch Menüs die Immersion. Ich muss mich durch die unübersichtlichen Screens klicken, um ein simples Tool auszuwählen. Wenn ich in einer brenzligen Situation erst diverse Optionen auswählen muss, um zum Ziel zu kommen, ist das frustrierend. Das Problem verschärft sich beim Durchklicken durch das medizinische Tablet, das ich zur Diagnosestellung nutze.

Wenn du jetzt denkst, es geht nicht schlimmer, irrst du. Leider macht es keinen Spass, mit der Ambulanz durch San Pelican zu brausen. Diese fühlt sich nämlich alles andere als gut zu steuern an. Ich habe den Eindruck, einen riesigen Truck zu fahren, der Rettungswagen reagiert träge.

Die Passanten verhalten sich merkwürdig, wenn die Sirene heult, springen mir schon mal vors Fahrzeug.
Die Passanten verhalten sich merkwürdig, wenn die Sirene heult, springen mir schon mal vors Fahrzeug.
Quelle: Kevin Hofer

Weiter ist die Verkehrs-KI miserabel. Fahrzeuge reagieren kaum auf die Sirene und Passantinnen werfen sich lieber in letzter Sekunde vor das Fahrzeug, als aus dem Weg zu gehen. Hinzu kommt, dass vor meinem Stützpunkt immer derart viel Verkehr herrscht, dass ich für Einsätze kaum wegkomme. So fühlt sich der Weg zum Einsatz mehr lästig als spassig an. Und nebenbei geht auch noch das Gefühl der Dringlichkeit – welche das Spiel vermitteln will – verloren.

Ebenso keinen Spass macht das Handling der Trage, es fühlt sich klobig und unintuitiv an. So muss ich ständig in die Richtung gegensteuern, die sich für mich falsch anfühlt. Wenn ich eine vor Schmerz schreiende Patientin in die Ambulanz bugsieren muss, kommt so nicht aufgrund der Situation Stress auf, sondern aufgrund der Steuerung. Das stört die Immersion.

Die Bahre zu manövrieren ist ein Graus.
Die Bahre zu manövrieren ist ein Graus.
Quelle: Kevin Hofer

Auch sonst reagiert die Steuerung respektive das Spiel mal besser und mal schlechter. Als ich etwa einen Augenzeugen befrage, registriert das Spiel erst nach dem dritten Mal durch dieselben Fragen klicken, dass ich ihn auch wirklich befragt habe. Dies, während sich das Opfer nebenan auf dem Boden vor Schmerzen krümmt.

Die Präsentation ist nur oberflächlich gut

Auf den ersten Blick sieht San Pelicano mit seinen unterschiedlichen Vierteln ganz hübsch aus. Näher betrachtet zeigen sich jedoch verwaschene Texturen und manchmal wirken Autos, Gebäude oder Menschen aufgrund der Belichtung wie Fremdkörper. Das finde ich bei einem Simulator aber nicht weiter schlimm.

Das Opfer wirkt hier wie ein Fremdkörper aufgrund der schlechten Belichtung.
Das Opfer wirkt hier wie ein Fremdkörper aufgrund der schlechten Belichtung.
Quelle: Kevin Hofer

Als mühsamer empfinde ich die hölzernen Animationen. Meine Sanitäterin erinnert mich mehr an einen Roboter als an einen Menschen. Mindestens genauso hölzern sind die Dialoge. Die Standard-Szenarien wirken wie von einer KI geschrieben und so nerven mich die meisten Patienten meist ab dem ersten Wort. Beispiel gefällig? Ich frage den Patienten, der eine Angstattacke erlitten hat: «Ist ihnen sowas schon mal passiert?» Seine Antwort: «Nein, bin ich jetzt kaputt?»

Da liegt das Opfer blutend vor mir am Boden und ich kann fragen, wie ich behilflich sein kann.
Da liegt das Opfer blutend vor mir am Boden und ich kann fragen, wie ich behilflich sein kann.
Quelle: Kevin Hofer

Damit nicht genug, leidet «Ambulance Life: A Paramedic Simulator» unter einer schlechten Kameraperspektive. Häufig versperrt ein Baum, Gebäude oder Dach die Sicht. Pop-Ins, Performance-unabhängiges Überspringen von Frames und Objekte, die einfach so erscheinen und genauso schnell wieder verschwinden, runden die nicht abschliessende Bug-Liste ab.

Was die fliegenden Bänder dort zu suchen haben, ist mir ein Rätsel
Was die fliegenden Bänder dort zu suchen haben, ist mir ein Rätsel
Quelle: Kevin Hofer

«Ambulance Life: A Paramedic Simulator» wurde mir von Nacon zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version getestet. Das Spiel ist seit dem 6. Februar verfügbar für PC, PS5 und Xbox Series X/S

Fazit

Hätte geil werden können, scheitert aber an der Umsetzung

Hätte ich «Ambulance Life: A Paramedic Simulator» nicht für einen Test gespielt, hätte ich es nach kurzer Zeit links liegen lassen – trotz Lichtblicken. Mir gefällt etwa die Idee, mit der Ambulanz durch San Pelicano zu brausen und Menschen zu retten. Auch die Tiefe des Spieldesigns mit den unterschiedlichen medizinischen Instrumenten zur Behandlung ist gut. Damit einhergehend auch die Authentizität – zumindest stelle ich mir so den Alltag eines Rettungssanitäters vor.

Aber das langweilige Gameplay, die miese Steuerung und die vielen Bugs nerven zu stark. Das Spiel wirkt unfertig und hätte noch mehr Feinschliff vertragen. Ich kann es deshalb im jetzigen Zustand nicht empfehlen.

Pro

  • wirkt authentisch, mit Liebe zum Detail
  • San Pelicano wirkt belebt
  • wenn’s mal richtig zur Sache geht, macht es auch Spass

Contra

  • zu viele Bugs
  • mühsames Gameplay
  • teils katastrophale KI
  • optisch keine Augenweide
Nacon Gaming Ambulance Life: A Paramedic Simulator (PC)
−10%
CHF28.70 statt CHF31.90

Nacon Gaming Ambulance Life: A Paramedic Simulator

Titelbild: Kevin Hofer

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